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Pressemitteilungen der Landesregierung

Redebeitrag von Innenminister Dr. Manfred Püchel zum Antrag der Fraktion der CDU "Umgang mit dem Volksabstimmungsgesetz"

06.04.2001, Magdeburg – 50

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 050/01

 

Magdeburg, den 6. April 2001

 

Es gilt das gesprochene Wort!

Redebeitrag von Innenminister Dr. Manfred Püchel zum Antrag der Fraktion der CDU "Umgang mit dem Volksabstimmungsgesetz"

Landtagssitzung am 5./6. April 2001

 

Am 3. April haben die Antragsteller des Volksbegehrens "Für die Zukunft unserer Kinder" im Innenministerium die Durchsicht der Unterschriftsbögen abgeschlossen und diese an den Landeswahlleiter übergeben.

 

In der vorigen Woche habe ich mir persönlich ein Bild von der Durchsicht der Unterschriftsbögen gemacht und habe bei der Gelegenheit den Antragsstellern auch persönlich meinen Respekt für Ihr Engagement ausgesprochen.

 

Auch wenn das notwendige Quorum nicht erreicht wurde, können die Initiatoren mit einigem Stolz darauf verweisen, dass sie die ersten gewesen sind, die ein Volksbegehren auf der Grundlage unserer Landesverfassung und des Volksabstimungsgesetzes durchgeführt und damit Neuland betreten haben.

 

Bei allen Differenzen in der Sache kann festgehalten werden, dass sich die Antragsteller mit ihrem Volksbegehren um die direkte Demokratie in Sachsen-Anhalt verdient gemacht haben. Das Volksbegehren hat bei vielen Bürgerinnen und Bürger Interesse und Engagement geweckt, in besonderer Weise an der demokratischen Willensbildung teilzunehmen. Diese Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung ist ein Gewinn für die Demokratie in Sachsen-Anhalt.

 

Daher wird die Landesregierung dem Begehren des Landtages, in den Ausschüssen über die Erfahrungen bei der Anwendung des Volksabstimmungsgesetzes sowie im Umgang mit Volksinitiativen und Volksbegehren zu berichten, gern nachkommen. Natürlich wird hierbei auch zwischenzeitlich ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zu berücksichtigen sein. Wichtiger aber sind die konkreten Erfahrungen im Gesetzesvollzug selbst.

 

Anrede,

dass ich Ihnen einen solchen Erfahrungsbericht überhaupt vorstellen kann, ist letztendlich der Gesetzesänderung des Volksabstimmungsgesetzes von 1995 zu verdanken. Erst die damit eingeführten wesentlichen Verfahrensvereinfachungen, für die ich mich persönlich bereits in der ersten Legislaturperiode eingesetzt hatte, haben dem Vorgängergesetz der CDU/F.D.P.-Regierung den Charakter eines "Volksabstimmungsverhinderungsgesetzes" genommen.

 

Lassen Sie mich einen kurzen Blick zurück werfen:

Unsere Landesverfassung sieht in den Artikeln 80 und 81 unmittelbare Mitwirkungsrechte für die Bürgerinnen und Bürger im Bereich der politischen Willensbildung vor.

 

Die Aufnahme plebiszitärer Beteiligungsformen in unsere Landesverfassung war nicht zuletzt ein sozialdemokratisches Verdienst.

 

Mit der in Artikel 80 eröffneten Möglichkeit der Volksinitiative können bestimmte Gegenstände der politischen Willensbildung sowie Gesetzesentwürfe an das Parlament herangetragen werden. Im Wege des Volksbegehrens kann ein Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht werden. Nimmt der Landtag diesen Gesetzentwurf nicht unverändert an, findet unter den in Art. 81 Landesverfassung genannten Voraussetzungen ein Volksentscheid statt. Näheres bestimmt ein Gesetz.

 

Die SPD war es, die die Ausführung des Verfassungsauftrags übernahm, das Nähere in einem Gesetz zu regeln, und einen Entwurf für ein Durchführungsgesetz zu den Verfassungsbestimmungen vorlegte. Um es auch zu personifizieren, ich war es damals, der den Entwurf erarbeitet und in den Landtagsausschüssen vertreten hatte. Und ich weiß noch genau, wie die Vertreter von CDU und FDP im Ausschuss agierten.

 

Die Dringlichkeit eines Ausführungsgesetzes hatte sich im Jahr 1993 gezeigt, als sich der Landtag unter anderem mit der Volksinitiative gegen unsoziale Mieten befasste. Eine parlamentarische Behandlung erfolgte, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keine gesetzlichen Ausführungsbestimmungen vorhanden waren.

 

Die damalige Landesregierung unter Ministerpräsident mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Herrn Dr. Christoph Bergner zeigte keinerlei Interesse, ein Ausführungsgesetz zu erarbeiten. Also nahmen wir es auf uns und legten einen Entwurf vor.

 

Unser Entwurf vom Februar 1993 enthielt Verfahrensregelungen, die es im Rahmen der engen verfassungsrechtlichen Vorgaben ermöglichen sollten, dass die in der Verfassung garantierten Beteiligungsrechte der Bürger an der plebiszitären Willensbildung tatsächlich zum Tragen kommen konnten.

 

Die Fraktionen der Regierungskoalition brachten daraufhin einen eigenen Gesetzentwurf ein, aus dem die in unserem Entwurf vorgesehenen Verfahrenserleichterungen und öffentlichen Förderungen zu Gunsten der Initiatoren von Volksabstimmungen gestrichen waren.

 

Ich kann an dieser Stelle nicht auf alle von CDU und FDP gewollten Restriktionen eingehen, die die Durchführung von Volksabstimmungen erschweren sollten und die schließlich auch das am 27. Mai 1994 verabschiedete Gesetz enthielt.

 

Im Wesentlichen waren das, und jetzt bitte einmal genau hinhören:

 

 

- die Beschränkung der Eintragungsmöglichkeiten für ein Volksbegehren auf die in Amtsräumen ausliegenden Unterschriftslisten

- keine Möglichkeit für eine freihändige Unterschriftensammlung

- kurze Eintragungsfrist von einem Monat

- hohes Antragsquorum von 25.000 Unterschriften

- keinerlei öffentliche Unterstützung der Initiatoren in Form von Kostenzuschüssen

- Bestätigung des Wahlrechts der Unterzeichner bei Volksinitiativen durch die zuständige Meldebehörde.

 

 

Der Abgeordnete Herr Seidel sagte bei der Verabschiedung: "Ich möchte zunächst feststellen, dass meine Fraktion sehr erfreut ist, dass fast alle Gesetzespassagen die Handschrift der beiden Regierungsfraktionen tragen." In Klammern (Beifall bei der CDU).

Ministerpräsident zu diesem Zeitpunkt: Herr Dr. Bergner.

 

Der gleiche Herr Dr. Bergner erklärt knapp sieben Jahre später: "Die Bürger des Landes mussten die Erfahrung machen, dass Anliegen, die für die Regierungsmehrheit von SPD und PDS unliebsam sind, mit zahlreichen Verfahrenstricks behindert werden konnten. Das muss sich ändern." Ende des Zitats.

 

Und heute legt er in der Volksstimme noch einmal kräftig nach, in dem er SPD und PDS vorwirft, die Bürgerinitiative mit Verfahrenstricks massiv behindert zu haben.

Ich frage mich, meine Damen und Herren, wo hier im Hause die Trickser sitzen?

 

Lieber Herr Bergner, ich würde es nie wagen, Sie als Heuchler zu bezeichnen. Dazu kennen wir uns zu lange und dazu schätze ich Sie viel zu sehr. Doch was Sie hier betrieben haben, ist pure Heuchelei.

 

Anrede,

nachdem sich die politischen Machtverhältnisse 1994 geändert hatten, wurde eine grundlegende änderung der Durchführungsregeln und eine Neufassung des Volksabstimmungsgesetzes vorgenommen.

 

Die Gesetzesänderung und damit die Aufhebung der wesentlichen Restriktionen habe ich selbst als eine meiner ersten Aufgaben bei meinem Antritt als Innenminister auf den Weg gebracht.

 

 

 

Im Bereich der Volksbegehren wurde das bisherige Antragsquorum von 25.000 auf 10.000 Unterschriften gesenkt.

Auf förmliche Listenauslegung wurde verzichtet und eine freihändige Sammlung außerhalb der Amtsräume möglich.

Die Eintragungsfrist bei der Sammlung von Unterschriften wurde von einem Monat auf sechs Monate verlängert.

 

 

Insgesamt hat es also Verfahrensvereinfachungen gegeben, die das Verfahren sowohl bürgerfreundlicher gestalten als auch den Verwaltungsaufwand für die Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften erheblich vermindern.

 

Anrede,

inwieweit sich die bestehenden Regelungen in der Praxis bewähren, zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen, die mit dem Volksbegehren "Für die Zukunft unserer Kinder" gesammelt werden und wurden.

 

Die Eintragungsfrist zur Sammlung der Unterschriften endete am 10. März 2001. Die Unterschriftsbögen sind am Dienstag dem Landeswahlleiter übergeben worden. Der Landeswahlleiter übersendet die Unterschriftsbögen nunmehr zur überprüfung der Eintragungen an die Meldebehörden.

 

Während des Verfahrens aufgetretene bzw. noch auftretende Probleme müssen aufgearbeitet werden. Mögliche Schwachstellen der Gesetzesregelung müssen erkannt und daraufhin notwendige änderungen bzw. Ergänzungen vorgeschlagen werden.

 

Eine Prüfung und Bewertung kann sinnvollerweise erst nach Beendigung des Volksbegehrens erfolgen. Hier sollten insbesondere die Aussagen der Meldebehörden zur überprüfung der Unterschriftslisten in die Berichterstattung einfließen.

 

Gerade diese dürften interessant sein. Geht man davon aus, dass die überprüfungen durch die Meldebehörden ca. 8 Wochen in Anspruch nehmen, könnte das Volksbegehren Ende Juni 2001 abgeschlossen sein. Daher rege ich an, den Bericht der Landesregierung nicht schon zum 30. Juni 2001, sondern entsprechend des änderungsantrages der SPD-Fraktion erst im September anzufordern.

 

Anrede,

ohne der weiteren Diskussion vorgreifen zu wollen, denke ich, dass auch über eine Absenkung des Quorums für Volksbegehren diskutiert werden sollte. Es wäre gut, wenn die politischen Parteien eine gemeinsame Haltung zu dieser wichtigen Frage finden könnten, zumal ja eine Verfassungsänderung notwendig wäre.

 

Es ist vornehmlich Aufgabe des Landtages, das Verhältnis zwischen parlamentarisch-repräsentativer Demokratie und direkter Demokratie zu bestimmen. Der Bericht der Landesregierung in den Ausschüssen kann hierzu nur ein Auftakt sein.

 

 

 

 

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