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Aktuelle Pressemitteilungen - Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt legt 2. Armuts-
und Reichtumsbericht vor / LIGA und Sozialministerium sehen Auftrag an
Wirtschaft, Politik und Gesellschaft

14.05.2008, Magdeburg – 48

  • Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung

 

 

 

 

 

 

 

 

Ministerium für Gesundheit und Soziales - - Pressemitteilung Nr.:

048/08

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ministerium für Gesundheit und Soziales -

Pressemitteilung Nr.: 048/08

 

 

 

Magdeburg, den 9. Mai 2008

 

 

 

Sachsen-Anhalt legt 2. Armuts-

und Reichtumsbericht vor / LIGA und Sozialministerium sehen Auftrag an

Wirtschaft, Politik und Gesellschaft

 

Rund 14 bis knapp 20 Prozent

der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt sind von materieller Armut betroffen. Zu

dieser Einschätzung gelangt der 2. Armuts- und Reichtumsbericht  Sachsen-Anhalt, den am Freitag

Sozialstaatssekretärin Prof. Dr. Christiane Dienel sowie die Vorsitzende der

LIGA der Freien Wohlfahrtspflege, Dr. Gabriele Girke, in Magdeburg vorstellten.

Der rund 200 Seiten starke Bericht wurde mit dem Statistischen Landesamt und in

Kooperation mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erarbeitet. Am Dienstag

wurde er im Kabinett beraten, nunmehr wird er dem Landtag zur weiteren

Diskussion zugeleitet.

 

Der Armuts-

und Reichtumsbericht gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil wird vom

Sozialministerium verantwortet. Der zweite Part unter der Überschrift ¿Armut

begegnen¿ wurde von der LIGA geschrieben und unverändert in den Gesamtbericht

aufgenommen. Beide Teile gemeinsam garantieren nach Ansicht von LIGA und

Sozialministerium eine hohe Aussagekraft. Er ist handlungsorientiert, enthält

authentische Fallbeispiele und macht Lösungsvorschläge.

 

Einen besonderen Schwerpunkt

legt der Bericht auf das Problem der Kinderarmut. Etwa ein Drittel (32,6

Prozent) der unter 15-jährigen Kinder in Sachsen-Anhalt leben demnach in

Haushalten, die auf staatliche Unterstützung nach dem SGB II angewiesen sind. Kinder

von Alleinerziehenden sind demnach stärker von Armut bedroht oder betroffen als

Kinder in Familien mit zwei Elternteilen.

 

Girke und Dienel erklärten

übereinstimmend vor der Presse: ¿Der Armuts- und Reichtumsbericht ist Auftrag

an Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gleichermaßen, dafür Sorge zu tragen,

dass die Menschen in würdigen Verhältnissen leben können. Zunächst ist Armut

eine Frage des fehlenden Einkommens. Dagegen helfen vor allem Arbeit sowie ein

Lohn und Gehalt, mit denen auch  ein

selbst bestimmtes Leben möglich ist.

 

Staatssekretärin Dienel

betonte: ¿Die Landesregierung allein kann Armut nicht beseitigen. Wir setzen

aber alles daran, dass aus materieller Armut keine soziale, kulturelle oder

Bildungsarmut wird. Kinder aus Elternhäusern mit wenig Geld dürfen nicht

ausgegrenzt und stigmatisiert werden. Die Politik der Landesregierung setzt auf

gleiche Bildungschancen für alle. Kernelement dabei ist das bundesweit

vorbildliche System der Kinderbetreuung und Kinderförderung. In den Kitas legen

wir die Grundlagen für spätere Bildungs-, Berufs- und damit Lebenswege.¿ Mit

einem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung von der Geburt an bis zum Abschluss

der sechsten Schulkasse und einem gesetzlich verankerten Bildungsauftrag

verfügt Sachsen-Anhalt über eines der modernsten Kinderbetreuungsgesetze in

Deutschland und Europa. Mit einem umfangreichen Weiterbildungsprogramm für

Erzieherinnen und Erzieher und einem Hochschulstudiengang für Leiterinnen und

Leitern von Kindertagesstätten wollen wir die Qualität der frühkindlichen

Bildung in den Einrichtungen weiter stärken.¿

 

Dienel nannte ¿mehr Arbeit und eine gerechte Entlohnung¿ als die

zentralen Elemente im Kampf gegen Armut. Die Staatssekretärin sagte: ¿Es ist

ein Skandal, dass im Jahr 2008 eine Vollzeitbeschäftigung nicht in jedem Fall

ausreicht, um von diesem Lohn auch wirklich in Würde leben zu können. Besonders

betroffen von dieser Situation sind Frauen. Laut einer Erhebung des

Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der

Hans-Böckler-Stiftung werden in Sachsen-Anhalt nicht selten Stundenlöhne von

drei Euro für eine Friseurin, vier Euro für eine Wachschutzmitarbeiterin, gut

fünf Euro für eine Floristin oder 6,23 Euro für eine Pflegekraft gezahlt. Von

Billiglöhnen sind längst nicht mehr allein so genannte Minijobber und

Teilzeitkräfte betroffen. Vielmehr gibt es die Entwicklung, dass auch bei

Vollzeitbeschäftigung das Existenzminimum nicht automatisch gesichert ist.¿

Dienel betonte: ¿Wenn es den Tarifparteien nicht gelingt, eine Existenz

sichernde Entlohnung mit einander zu verhandeln, dann muss der Staat eingreifen.

Dann muss es flächendeckend Mindestlöhne geben. Arbeit muss sich lohnen.¿

 

Dienel

sprach sich weiterhin für eine Reform der Familienförderung in Deutschland aus.

Sie sagte: ¿Der Staat gibt jährlich rund 189 Milliarden Euro für

Familien aus. Etwa 112 Milliarden Euro davon sind direkt familienbezogen, die

restlichen gut 77 Milliarden Euro fördern die Ehe. Es stellt sich die Frage: Kommt

das Geld auch wirklich an, kommt es vor allem den Kindern wirklich zugute?¿

Dienel mahnte ein neues ¿einfaches, transparentes und damit in hohem Maße

Bewusstsein bildendes Gesamtkonzept der Familienförderung¿ an. Ein Ausbau

finanzieller Leistungen für Familien dürfe nicht auf Kosten eines dringend

notwendigen Ausbaus der Infrastruktur für Erziehung, Bildung und Betreuung

gehen.¿ Dienel sprach sich für mehr Sachleistungen aus, ebenso für eine

¿Novellierung bis Abschaffung¿ des Ehegattensplittings zugunsten einer

Förderung von Familien mit Kindern. Dienel sagte: ¿Perspektivisch sollte es zu

einer Abschaffung des Ehegattensplittings zugunsten einer stärkeren

Familienförderung kommen. Die neue Förderung sollte jedoch nicht über

Steuervergünstigungen erfolgen, da das Einkommensniveau in Ostdeutschland dazu

führt, dass viele Familien davon nichts haben.¿

 

Die Staatssekretärin unterstütze

Überlegungen, Familien besser zu unterstützen, die ein Schulessen für ihr Kind

wünschen, dies aber nicht finanzieren können, oder die nicht das nötige

Schulmaterial für ihre Kinder bezahlen können. Länder und Kommunen dürften

jedoch bei der Finanzierung nicht allein gelassen werden. Dienel: ¿Da ist der

Bund mit im Boot, wenn es darum geht, einkommensärmere Haushalte nicht

auszugrenzen. Das hat mit Chancengleichheit und Gerechtigkeit laut Grundgesetz

zu tun. Es ist im höchsten Maße problematisch, wenn Kinder unregelmäßig oder

gar nicht am Schulessen teilnehmen, weil Eltern nicht das Geld haben. Hungrige

Kinder lernen schlechter, was zu schulischen Misserfolgen und zu Ausgrenzung

führen kann.¿

 

Für die

LIGA sagte Vorsitzende Girke: ¿Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege - das sind

AWO, Caritas, Diakonie, Paritätischer

Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz und der Landesverband Jüdischer

Gemeinden - will mit ihrer Mitwirkung am Armuts- und Reichtumsbericht dazu

beitragen, dass spezifische Daten und Erfahrungen über die Lebensbedingungen

armer und ausgegrenzter Menschen in Sachsen-Anhalt öffentlich werden. Unsere

unmittelbare Berührung mit der Lebenswirklichkeit dieser Menschen drängt und

legitimiert uns dazu. Als Mitgestalter des Sozialstaates verstehen sich die

Wohlfahrtsverbände als Anwälte für sozial Benachteiligte und auch als

kritischer Partner politisch Verantwortlicher.¿

 

Girke betonte, dass die

Zusammenhänge zwischen mangelndem Einkommen, Bildung, Gesundheit und sozialer

Teilhabe zu beachten seien. Sie sagte: ¿Armut ist eine individuelle Lebenslage,

die von sozialer Ausgrenzung, hohen gesundheitlichen Risiken und mangelnden

Zukunftschancen begleitet wird. In diesem reichen zivilisierten Deutschland

leben zu viele Menschen in einem kläglichen Alltag, vor allem zu viele Kinder ¿

das ist ein Armutszeugnis für uns alle! Wir sehen es täglich und helfen in

Suppenküchen, Kleiderkammern, Beratungsdiensten, Kindertagesstätten,

Jugendeinrichtungen, Schulen, Schuldner¿ und Schwangerschaftsberatungsstellen.¿

 

Die

LIGA-Vorsitzende unterstrich: ¿Armutsverhältnisse schneiden insbesondere tief

in das Leben von Kindern ein, die in ihnen aufwachsen müssen. Die Zusammenhänge

zwischen Armut ¿ Bildung - Gesundheit ¿ sozialer Teilhabe sind vielfach belegt.

Der Worte sind genug gewechselt. Nun müssen Taten folgen. Kinderarmut kommt und

geht nicht von allein. Eine kindbezogene, frühe Prävention kann dabei aus

unserer Sicht Kindern gerechte Zukunftschancen ermöglichen.

 

Der Berichtsteil der Verbände

Freier Wohlfahrtspflege zeigt nach den Worten von Girke authentisch und mit

Fallbeispielen, wie die Lebenssituation der so genannten ¿schlechter gestellten

Familien¿ ist, aber auch welche Hilfen es gibt und was nötig wäre. Girke

betonte: ¿Wir brauchen keine Almosen, sondern respektvollen Umgang mit diesen

Menschen, präventive Netzwerke gegen Armut von Kindern in ihren Familien, eine

bessere  Zusammenarbeit der Behörden und

Hilfeeinrichtungen, den Ausgleich von Bildungsbenachteiligungen sowie andere

Berechnungsgrundlagen und ein höheres Sozialgeld für Kinder. ¿

 

Girke und Dienel sprachen sich

für eine Fortschreibung der Armuts- und Reichtumsberichterstattung für

Sachsen-Anhalt aus.  Dies könnte auch die

Grundlage zur Formulierung von Sozialzielen für Sachsen-Anhalt sein. Darauf aufbauend

würden sich die gesellschaftlichen Akteure vergleichbar zum

Gesundheitsziele-Prozess auf Strategien zu deren Erreichung verständigen.

 

 

 

Zu Armuts-Definitionen und Eckdaten aus dem Bericht:

 

Zur Definition von Armut gibt

es mehrere Ansätze. Der Bericht nennt die beiden hauptsächlich verwandten

Definitionen:

 

Erstens:

 

Die so genannte relative

Armutsdefinition. Laut Europäischer Gemeinschaftsstatistik wird ein

Durchschnittseinkommen (Medianeinkommen) ermittelt. All jene Personen, die

weniger als 60 Prozent davon als Einkommen haben, sind armutsgefährdet. Mit

diesem Verfahren wird in den EU-Staaten gearbeitet, so dass eine

Vergleichbarkeit der Daten auf Bundes- und europäischer Ebene gegeben ist.

 

Das Sozialministerium hat

diesen Definitionsansatz (auch wegen der bundes- und europaweit vergleichbaren

Datenlage) gewählt. Für Sachsen-Anhalt bedeutet dies: Das ermittelte

Durchschnittseinkommen liegt bei 1.240 Euro. Damit gelten Personen als

armutsgefährdet (also als von materieller Armut betroffen), wenn sie über ein

Einkommen von weniger als 744 Euro verfügen. Die Armutsgefährdungsquote beträgt

demnach 14 Prozent.

 

Von Armut besonders betroffen

sind Alleinerziehende (48 Prozent). Diese Quote liegt um 18 Prozentpunkte höher

als der Bundesdurchschnitt. Dagegen besteht bei Familien mit zwei Erwachsenen

und zwei oder mehr Kindern ein geringeres Armutsrisiko (14 Prozent). Dies ist

unter anderem auf die gute Kinderbetreuung zurückzuführen, die es beiden Eltern

ermöglicht, einem Beruf nachzugehen.

 

Zweitens:

 

Zudem gibt es laut Weltgesundheitsorganisation

WHO eine Definition für ¿strenge Armut¿. Demnach gilt als arm, dessen Einkommen

unter 40 Prozent des Durchschnittseinkommens liegt.

 

Die LIGA nimmt in ihrem

Berichtsteil die WHO-Definition zur Grundlage und sagt, dieses Kriterium wird

durch Arbeitslosengeld II und Sozialgeld erfüllt. Für Sachsen-Anhalt würde dies

(laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit für September 2007) bedeuten, dass

17,8 Prozent der Menschen von 15 bis 65 Jahren von ALG II und 4,4 Prozent von

Sozialgeld leben, das heißt von Armut betroffen sind. Rund 32,6 Prozent der

Kinder unter 15 Jahren leben in Familien, die auf Arbeitslosengeld II und

Sozialgeld angewiesen sind.

 

 

 

 

 

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