Aktuelle Pressemitteilungen - Sachsen-Anhalt
Untersuchung des Polizeieinsatzes
vom 09.06.07 anlässlich eines Angriffs Rechtsextremer auf Ensemblemitglieder
des Nordharzer Städtebundtheaters in Halberstadt ist abgeschlossen
Erste Kritik der Polizeipräsidentin durch Untersuchung bestätigt
Erforderliche Konsequenzen gezogen
09.07.2007, Halberstadt – 66
- Polizeidirektion Halberstadt
Pressestelle - Pressemitteilung Nr.: 66/07
Pressestelle - Pressemitteilung
Nr.: 66/07
Magdeburg, den 9. Juli 2007
Untersuchung des Polizeieinsatzes
vom 09.06.07 anlässlich eines Angriffs Rechtsextremer auf Ensemblemitglieder
des Nordharzer Städtebundtheaters in Halberstadt ist abgeschlossen
Erste Kritik der Polizeipräsidentin durch Untersuchung bestätigt
Erforderliche Konsequenzen gezogen
Halberstadt. Am Samstag, 09.06.07, in
den frühen Morgenstunden, wurden Mitglieder des Ensembles des Nordharzer
Städtebundtheaters von mindestens vier Rechtsextremen im Stadtgebiet von
Halberstadt geschlagen und getreten, woraufhin fünf Ensemblemitglieder so
schwer verletzt wurden, dass sich eine stationäre medizinische Versorgung im
Ameos-Klinikum Halberstadt erforderlich machte. Im Zusammenhang mit dem nach
Bekanntwerden der Straftat statt gefundenen Polizeieinsatz wurden Vorwürfe von
Ensemblemitgliedern erhoben, dass Polizeibeamte des Polizeireviers Halberstadt
nicht unverzüglich gegen die nach Angaben der Geschädigten noch in Tatortnähe
befindlichen Straftäter vorgegangen sind und es versäumt haben, diese
festzunehmen.
Nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe
ordnete die Polizeipräsidentin der Polizeidirektion Halberstadt, Frau
Marschalk, mit Datum 11.06.07 eine Untersuchung des Polizeieinsatzes vom
09.06.07 an. Die Untersuchungsführung wurde dem Leiter des Polizeireviers Quedlinburg
übertragen. Die Untersuchung wurde mit der Zielsetzung durchgeführt, die
zeitliche Abfolge des Einsatzes nachzuvollziehen, geführte Gespräche und
Informationen der Beamten vor Ort auszuwerten und letztlich Widersprüche
zwischen den Aussagen der Zeugen und den Einlassungen der am Einsatz
beteiligten Beamten zu klären.
Im Abschlussbericht der Untersuchung
wurde Folgendes festgestellt:
1. Die Aussage, dass die Beamten des
Polizeireviers Halberstadt nicht zeitnah am Tatort erschienen sind und zögerlich
einschritten, muss differenziert betrachtet werden. Der Dienstgruppenleiter des
Polizeireviers Halberstadt hat am 09.06.07 um 03.08 Uhr über Notruf die
Mitteilung erhalten, dass mehrere Rechtsextreme auf eine Personengruppe
einschlagen. Unmittelbar nach diesem Anruf um 03.09 Uhr beorderte er einen
Funkstreifenwagen mit zwei Beamten zum Tatort. Da sich der Wagen ganz in der
Nähe befand, dauerte die Anfahrt nur ca. eine Minute. Vier weitere Beamte
trafen bis 03.17 Uhr am Tatort ein. Als die Beamten vor Ort eintrafen, bot sich
ihnen folgendes Bild: Am Tatort befanden sich ca. 15 Personen. Es wurde
gestikuliert und durcheinander gesprochen. Mehrere Personen waren zum Teil
erheblich verletzt und bluteten stark. Die Beamten forderten um 03.11 Uhr über
den Dienstgruppenleiter des Polizeireviers mehrere Rettungstransportwagen an.
Mehrere Geschädigte haben später den Vorwurf erhoben, dass sie die Beamten zu
diesem Zeitpunkt bereits darauf hingewiesen haben wollen, den angeblich noch in
der Nähe anzutreffenden Tatverdächtigen nachzueilen. Die Beamten waren in
dieser hektischen Phase damit beschäftigt, sich einen Lageüberblick zu
verschaffen. Hierbei ist der Eindruck entstanden, dass sie mit der Situation
überfordert waren und Folgemaßnahmen nicht rechtzeitig koordinieren konnten.
Wäre zu diesem Zeitpunkt eine fachlich qualifizierte Führung vor Ort gewesen,
hätte man die Rettungsmaßnahmen für die Verletzten und die Nacheile zur
Verfolgung der Täter besser organisieren können. So beschränkten sich die
Maßnahmen der vor Ort eingesetzten Beamten auf die Koordinierung der
Rettungsmaßnahmen für die Verletzten und die Feststellung der Personalien der
vor Ort anwesenden Zeugen.
2. Die Untersuchung hat ergeben, dass
es vor Ort keine Führung und Koordination des Polizeieinsatzes gegeben hat.
Dadurch konnten Maßnahmen des ersten Angriffes nicht sachgerecht durchgeführt
werden und es kam zu einer verfehlten Lageeinschätzung.
3. Weiterhin ist es als Fehlleistung
der Beamten einzuschätzen, dass sie den von ihnen gestellten Tatverdächtigen
nach Feststellung seiner Personalien nicht vorläufig festgenommen haben. Durch
Hinweise der Geschädigten wurde den vor Ort eingesetzten Beamten mitgeteilt,
dass ein Tatverdächtiger mit einem Fahrrad sich in der Nähe des Tatortes
aufhält. Nach einer kurzen Nacheile wurde dieser durch die Polizeibeamten
gestellt, einer Identitätsfeststellung unterzogen und nach einer kurzen
mündlichen Befragung, ob er an der Auseinandersetzung beteiligt war, wieder
gehen gelassen. Hätten die kontrollierenden Beamten außer der
Identitätsfeststellung alle polizeilichen Informationssysteme genutzt und den
Tatverdächtigen vorläufig festgenommen, hätte man zu diesem Zeitpunkt bereits
feststellen können, dass es sich bei dem Mann um einen bereits hinlänglich
polizeilich bekannten rechtsextremen Straftäter handelt. Dass der
Tatverdächtige wieder entlassen wurde und erst geraume Zeit später inhaftiert
werden konnte, stellt eine falsche polizeitaktische Handlungsweise dar.
4. Der Bericht hat ergeben, dass
aufgrund der fehlenden Polizeiführung vor Ort keine qualifizierte Tatortarbeit
unmittelbar nach den Geschehnissen durchgeführt wurde. Es erfolgte keine
weiträumige Absperrung des Tatortes zur Sicherung und Dokumentation von Spuren.
Ein Teil der Geschädigten wurden am Tatort zurückgelassen, zwei Beamte fuhren
ins Krankenhaus und die anderen Beamten fuhren zu zwei weiteren Einsätzen. Die
Geschädigten sollten sich dann selbstständig auf dem Polizeirevier melden.
Hätte man den Tatort durch Polizeibeamte gesichert, wären die Geschädigten wohl
nicht noch einmal gegen 03.37 Uhr mit einem Teil der Täter, die zum Tatort
zurückkamen, zusammengetroffen. Als sich die Geschädigten erneut über Notruf an
das Polizeirevier wandten und die Beamten dann nach sechs Minuten zum Tatort
zurückkehrten, hatten sich die Tatverdächtigen wieder entfernt.
5. Die Untersuchungen haben ergeben,
dass die Beamten während des Einsatzes erheblich unter Stress standen und mit
der Bewältigung der Lage überfordert waren. Diese Überforderung war auch der
Tatsache geschuldet, dass, wie oben bereits angeführt, eine fachlich
qualifizierte Führung vor Ort fehlte. Von Seiten der Behörde hat es in
Auswertung des Untersuchungsberichtes personalrechtliche Konsequenzen gegeben.
Der Dienstgruppenleiter wurde von seiner Funktion entbunden und nimmt jetzt
eine andere Aufgabe im Innendienst der Behörde wahr. Unmittelbar nach den
Geschehnissen vom 09.06.07 wurden Dienstbesprechungen in allen Polizeirevieren
des Zuständigkeitsbereiches der Polizeidirektion Halberstadt durchgeführt. Es wurde
noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei größeren Polizeieinsätzen
sofort eine Führung durch den Dienstgruppenleiter oder einen erfahrenen
Streifeneinsatzführer zu erfolgen hat. Tatverdächtige, die vor Ort angetroffen
und deren Identität festgestellt wird, dürfen erst dann entlassen werden, wenn
es keine weiteren Anhaltspunkte gibt, die eine vorläufige Festnahme
rechtfertigen. In allen Fällen ist hierzu eine Abstimmung mit der
Staatsanwaltschaft sicherzustellen. Im Rahmen der polizeilichen Aus- und
Fortbildung innerhalb der Behörde werden Beamte verstärkt gerade für diese
besonderen Einsatzsituationen wiederkehrend beschult.
6. Die Untersuchungsergebnisse
erfüllen nach erster Einschätzung nicht den Straftatbestand der
Strafvereitelung im Amt. Hierzu wird die Staatsanwaltschaft um eine
abschließende Bewertung gebeten werden.
7. Das Ergebnis des
Untersuchungsberichtes wurde mit den betroffenen Beamten des Polizeireviers
Halberstadt und in der weiteren Folge mit allen Mitarbeitern der Polizeidirektion
Halberstadt ausgewertet.
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