Aktuelle Pressemitteilungen - Sachsen-Anhalt
Innenstaatssekretär Thomas Pleye eröffnet
Ausstellung in Dessau ?Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und
Roma?
12.09.2005, Magdeburg – 123
- Ministerium für Inneres und Sport
Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 123/05
Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 123/05
Magdeburg, den 8. September 2005
Innenstaatssekretär Thomas Pleye eröffnet
Ausstellung in Dessau ¿Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und
Roma¿
Es gilt das
gesprochene Wort!
Die Verbrechen der
Nationalsozialisten sind, so wird mitunter argumentiert, hinlänglich bekannt
und die Opfer längst benannt. Im Übrigen sei es über 60 Jahre her, dass die
Alliierten der NS-Barbarei ein Ende bereitet hätten. Zudem kann heute als
gesichert gelten, dass die Abgrenzung vom Nationalsozialismus eine der
grundlegenden Konstanten in der Politik der Bundesrepublik Deutschland
darstellt. Auch die DDR begriff sich als antifaschistischer Staat. Hinter
dieser scheinbaren Gemeinsamkeit der Abgrenzung vom NS-Staat verbargen sich
jedoch grundlegende Unterschiede: Im Westen Deutschlands beriefen sich die Vertreter
des neuen Staates insbesondere auf den bürgerlichen Widerstand. Relativ früh
wurde der Blick auf die Menschenrechtsverletzungen an den Juden Europas
ausgeweitet, ehe in den 50er Jahren das Schweigen um die
nationalsozialistischen Verbrechen und die hierfür verantwortlichen Täter
einsetzte. Erst Ende der 60er Jahre begann die Generation der Nachgeborenen
verstärkt nach Tätern und Opfern zu fragen.
Eine neue Qualität
erreichte die Auseinandersetzung um die NS-Verbrechen in der Bundesrepublik in
den 80er Jahren, auch beeinflusst durch die Rede Richard von Weizsäckers vor
dem Deutschen Bundestag im Jahre 1985 zum 40. Jahrestag des Kriegsendes.
Insbesondere hat
sich die Diskussion um die Fragen der Einbeziehung einzelner Teile der
Bevölkerung in das NS-Unrechts-Regime seit jener Zeit sowohl in der Forschung
als auch in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich intensiviert.
Trotz aller
Unterschiede gab es in der Gedenkkultur beider deutscher Staaten eine
bemerkenswerte Übereinkunft: Das tausendfache Leid, das Sinti und Roma in ganz
Europa von den Nazis zugefügt wurde, wurde nicht oder nur äußerst unzureichend
thematisiert.
Dieser Sachverhalt
hatte für diese Opfergruppe schwerwiegende Konsequenzen:
1.
Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR
wurde es den Betroffenen schwer gemacht, als Opfer des NS-Regimes anerkannt zu
werden. So schrieb bereits am 6. Februar 1946 die Abteilung ¿Opfer des
Faschismus¿ der Verwaltung der Provinz Sachsen an die Betreuungsstellen der
NS-Opfer: ¿Die Zigeunerfrage ist vom Hauptausschuss für ¿Opfer des Faschismus¿
in Berlin für die gesamte russische Besatzungszone generell geregelt. Da die
Zigeuner in Bezug von Aktionen gegen asoziale Elemente verhaftet wurden, können
sie nicht als politisch oder rassisch Verfolgte betrachtet werden. Jeder
Zigeuner, der den Nachweis erbringt, dass er aufgrund seiner antifaschistischen
Tätigkeit oder wegen Zugehörigkeit einer antifaschistischen Organisation
verhaftet wurde, kann als ¿Opfer des Faschismus¿ anerkannt werden.¿ An diesem
Zitat wird deutlich, dass die althergebrachten Stereotypen auch nach der
Beseitigung des NS-Regimes nicht ausgeräumt waren.
2.
Die Geschichte der Menschenrechtsverletzungen an
den Sinti und Roma in den Jahren 1933 bis 1945 wurde von der historischen
Forschung zunächst nicht erforscht und dargestellt. Sie ist auch heute noch
unvollständig erforscht und folgerichtig der Öffentlichkeit nur wenig bekannt.
Dabei waren bis
Mitte der 30er Jahre auch in Anhalt, zum Beispiel in Dessau und Umgebung, die
Sinti und Roma präsent. Im Frühjahr 1938 wurden viele von ihnen gezwungen, in
ein Lager am Stadtrand von Magdeburg zu ziehen, von wo sie Anfang 1943 auf
Befehl Himmlers nach Auschwitz deportiert wurden. Dort sind viele von ihnen
gestorben. Leider ist hierüber bisher kaum publiziert worden und wenig bekannt.
Um so
bedeutungsvoller ist es, wenn heute an das Leid dieser Bevölkerungsgruppe
während der Zeit der NS-Diktatur erinnert wird. Die Kenntnis um die
Menschenrechtsverletzungen an Sinti und Roma ist eine Grundvoraussetzung für
das Schaffen von Verständnis über deren soziale Situation, Gedankenwelt und
Biografie.
Die Geschichte der
Sinti und Roma ist zu einem erheblichen Teil eine Geschichte der Ausgrenzung
vom gesellschaftlichen Leben der Mehrheitsbevölkerung. Zur Überwindung dieser
Situation benötigen wir zunächst Wissen um die Geschichte dieser unschuldigen
Opfer. Ich bin deshalb den Initiatoren dieser Ausstellung dankbar für die
Anstrengungen, die sie unternommen haben, damit diese Sonderausstellung des
Dokumentationszentrums deutscher Sinti und Roma gezeigt werden kann. Den
Veranstaltern ist es auch gelungen, ausstellungsbegleitend ein facettenreiches
Rahmenprogramm zu entwerfen. Ganz besonders danken möchte ich Frau Jana Müller
vom alternativen Jugendzentrum hier in Dessau, auf deren Initiative das Projekt
realisiert worden ist. Ich wünsche der Ausstellung und dem Rahmenprogramm ein
interessiertes Publikum und erhoffe mir, dass damit ein Beitrag zum besseren
Verständnis von Geschichte, Kultur und Gegenwart der Sinti und Roma in unserer
Gesellschaft geleistet wird.
Impressum:
Verantwortlich:
Dr. Matthias Schuppe
Pressestelle
Halberstädter Straße 2 / Am Platz des 17. Juni
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Fax: (0391) 567-5519
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