Aktuelle Pressemitteilungen - Sachsen-Anhalt
Marienborner Gedenkstättenleiter eröffnet
11.08.2005, Halle (Saale) – 76
- Landesverwaltungsamt
Landesverwaltungsamt ¿ Pressemitteilung Nr. 76/2005
Landesverwaltungsamt ¿ Pressemitteilung Nr. 76/2005
Halle (Saale), den 10. August 2005
Das Landesverwaltungsamt (LVwA) informiert anlässlich des
"Tages des Mauerbaus" am 13. August 2005:
Marienborner Gedenkstättenleiter eröffnet
Gartenschläger-Sonderausstellung in Torgau
Dr. Joachim Scherrieble, Leiter der Gedenkstätte Deutsche
Teilung Marienborn eröffnet anlässlich des Tages des Mauerbaus am 13. August
die Sonderausstellung ¿... als Kristallisationspunkt für Geschichte. Michael
Gartenschläger ¿ Leben und Sterben zwischen Deutschland und Deutschland. Ein
Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte¿. Die Ausstellung entstand in
Kooperation mit dem Dokumentations- und Information (DIZ) Torgau. Hierzu
möchten sind die Vertreter der Medien und Öffentlichkeit
am 11. August 2005 um 17.00 Uhr,
in der ¿Alltagskirche¿¿Aula des Johann-Walter-Gymnasium
Torgau,
Schlosstraße 7-9
herzlich eingeladen. Im Anschluss an die Einführungsrede
wird Gerd Resag, Freund und Mitverurteilter Michael Gartenschlägers, in einem
Zeitzeugengespräch für Fragen zur Verfügung stehen.
Michael Gartenschläger
Michael Gartenschläger wuchs in Strausberg bei Berlin auf.
Nach dem Schulabschluss begann er eine Lehre als Kfz-Schlosser. Ende der
fünfziger Jahre lernte er vor allem bei Besuchen im nahen West-Berlin die
Rock-`n`-Roll-Musik kennen und gründete mit vier Freunden einen Fanclub des
deutschen Sängers Ted Herold. Der Club wurde von der Volkspolizei verfolgt und
aufgelöst.
Mit der Abriegelung West-Berlins am 13. August 1961 sahen
die Jugendlichen sich ungerechtfertigt in ihrer Freiheit und Freizeitgestaltung
eingeschränkt. Sie protestierten gegen die Maßnahmen, malten politische Parolen
in Strausberg und zündeten eine Feldscheune außerhalb der Stadt an.
Wenige Tage später wurden sie verhaftet. In einem
politischen Schauprozess erhielten die beiden siebzehnjährigen Freunde Michael
Gartenschläger und Gerd Resag eine lebenslängliche Zuchthausstrafe.
Für Michael Gartenschläger folgten zehn Jahre Haft, in denen
ihn eigenes und miterlebtes Leid zum entschiedenen Gegner des SED-Regimes
werden ließen.
Nach dem ¿Freikauf¿ durch die Bundesregierung im Juni 1971
etablierte sich Michael Gartenschläger in Hamburg. Doch ließ ihn der
Unrechtscharakter der SED-Herrschaft nicht los. Als Form des Widerstands half
er insgesamt 30 Freunden in der DDR, in die westliche Freiheit zu fliehen. Als
Beweis für die Menschenrechtsverletzungen der SED-Machthaber baute er an der
innerdeutschen Grenze kurz hintereinander zwei dort installierte Splitterminen
(SM 70) ab.
Der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke befahl
daraufhin seine Liquidierung. In der Nacht des 30. April 1976 lief Michael
Gartenschläger ahnungslos in die vorbereitete Falle eines
MfS-Sondereinsatzkommandos; neun Kugeln töteten den damals 32-Jährigen.
Drei der Schützen wurden im Jahr 2000 vor dem Landgericht
Schwerin freigesprochen. Das Landgericht Berlin sprach 2003 einen ehemaligen
MfS-Offizier, der an der Planung der Aktion gegen Michael Gartenschläger
mitgewirkt hatte, frei, einem zweiten lastete es ¿Anstiftung zum Mord¿ an; das
Verfahren gegen ihn wurde wegen Verjährung eingestellt.
Michael Gartenschlägers Haltung war geprägt vom Willen zur
persönlichen Freiheit und der Wahrung elementarer Menschenrechte. Sie befähigte
ihn zum Widerstand gegen die SED-Funktionäre, die unter dem Dogma der allein
bestimmenden Staatspartei glaubten, sich zu Herren über Leben und Tod
aufschwingen zu dürfen.
Der Leiter der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn, Dr.
Joachim Scherrieble, möchte mit der Ausstellung erreichen, ¿dass Michael
Gartenschläger einen adäquaten Platz in der bundesdeutschen Gedenk- und
Erinnerungskultur erhält¿. Scherrieble ließ sich dabei vor allem von zwei
Gedanken leiten:
¿Erstens: Die Gedenkstätte in Marienborn steht wie kein
anderer Ort in Deutschland für eine der beiden Säulen der SED-Diktatur, dem
Einmauern des eigenen Volkes. Die Ausstellung ermöglicht es, mit Michael
Gartenschläger den ca. 1000 Grenztoten einen Namen, ein Gesicht und eine
Geschichte zu geben. Zweitens scheint mir das Schicksal Michael Gartenschlägers
hervorragend geeignet für die zweite Aufgabe von Einrichtungen wie in
Marienborn oder Torgau ¿ denn diese sind neben Orten der Trauer und des
Gedenkens auch Orte der historisch-politischen Bildung. Die Beschäftigung mit
dem Leben von Michael Gartenschläger, der sein Wirken im Übrigen als bewusste
Form des Widerstandes gegen die SED-Diktatur verstanden hat, lädt gerade
Jugendliche ein, sich auch mit diesem Kapitel deutsch-deutscher
Nachkriegsgeschichte zu beschäftigen. Seine Biographie wirkt wie ein roter
Faden, wie ein Kristallisationspunkt für Geschichte.¿, so Scherrieble.
Über die Ausstellung
Michael Gartenschläger ¿ ein Name der für vieles steht ...
... für einen Jugendlichen, der seine Musik, die
Rock-`n`-Roll-Musik, hören und sich diese nicht von einem totalitären Regime
verbieten lassen wollte ...
... für einen aufbegehrenden jungen Mann, der Mut und
Zivilcourage bewies, weil er sich nicht einmauern lassen sowie seine
Freizeitgestaltung, seine Gedanken und seinen Lebensentwurf nicht von einer
Partei vorschreiben lassen wollte ...
... für einen sensiblen und kritischen Beobachter, der - zum
¿Staatsfeind¿ abgestempelt - sich im Gefängnis zum Gegner der SED-Herrschaft
und dessen Grenzregime entwickelte ...
... für einen Suchenden, der ankam in der Bundesrepublik,
sich einrichtete in der Demokratie, sich jedoch nicht abfinden konnte mit einer
deutsch-deutschen Annäherung, die eine Bloßstellung der DDR-Führung in ihrer
Unrechtspraxis tunlichst vermied ...
Die Ausstellung lädt ein, sich Michael Gartenschläger zu
nähern. Sie berichtet von einem Regime, das das eigene Volk einmauerte und den
aufmüpfigen 17-Jährigen zu lebenslanger Haft verurteilte, den 27-Jährigen
verkaufte sowie den 32-Jährigen durch ein Sondereinsatzkommando erschießen
ließ.
Die Ausstellung lädt ein, sich mit den
gesellschaftlich-politischen Hintergründen jener Zeit zu beschäftigen, zum
Nachdenken, zur Standortsuche und zu einem bewussten Leben in der Demokratie.
Erstellt und auf Wanderschaft geschickt wurde die
gleichnamige Ausstellung von der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn - mit
freundlicher Unterstützung der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der
Ostdeutschen Sparkassenstiftung und der Bördesparkasse.
Redaktionsteam:
Dr. Joachim Scherrieble (verantw.), Rainer Potratz, Lothar
Lienicke, Franz Bludau.
Ikon, Hannover (Gestaltung), ermisch, Hannover (Graphik)
Die Ausstellung in Torgau ist bis zum 3. Oktober 2005
täglich 10-18 Uhr zu sehen (Eintritt frei).
Weitere Informationen:
Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn
Dr. Joachim Scherrieble
Telefon 039406 / 9209-0
BAB 2 Marienborn
E-mail: Joachim.Scherrieble@lvwa.lsa-net.de
Internet: www.marienborn.de
Die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn ist eine
Einrichtung im Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt.
Impressum:
Landesverwaltungsamt
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0345-5141244
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