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Pressemitteilungen der Ministerien

Redebeitrag von Innenminister Dr. Manfred Püchel zum Entwurf eines Informationszugangsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt

01.03.2001, Magdeburg – 30

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 030/01

 

 

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 030/01

 

Magdeburg, den 1. März 2001

 

Redebeitrag von Innenminister Dr. Manfred Püchel zum Entwurf eines Informationszugangsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt

Fraktion der PDS, LT-Drs. 3/4253

TOP 8 der Landtagssitzung am 1. März 2001

Mit einem allgemeinen Informationszugangsrecht will die PDS die Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen erhöhen, ein sehr sympathisches Anliegen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die Möglichkeit haben, informiert und aktiv an der Gestaltung des Gemeinwesens teilzunehmen.

Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen, eine umfassende Informiertheit und die Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung unseres Gemeinwesens sind Errungenschaften, die wir uns im Herbst 89 erkämpft haben und die man nicht hoch genug schätzen kann.

Außer Frage steht, dass die öffentliche Verwaltung großes Interesse daran hat, daran haben muss, dass ihr Handeln in der öffentlichkeit bekannt ist und vor allem auch von dieser akzeptiert wird. Die Verwaltung muss sich dieser Aufgabe ständig aufs Neue stellen und sie tut es auch! Denken Sie an die zunehmende Präsenz öffentlicher Stellen im Internet! In naher Zukunft wird der Bürger sogar in vielen Angelegenheiten auf elektronischem Wege interaktiv mit der Verwaltung in Verbindung treten können.

Es stellt sich die Frage, ob wir ein allgemeines Informationszugangsgesetz überhaupt benötigen? Seit zum ersten Mal über die Einführung solch eines Gesetzes diskutiert wurde, wird diese Grundsatzfrage gestellt.

Erste Erfahrungen mit einem allgemeinen Akteneinsichtsrecht liegen aus Brandenburg, Schleswig-Holstein und Berlin vor. Wie sehen diese aus?

Diejenigen, für die das Recht vorrangig geschaffen wurde, also die einzelnen Bürgerinnen und Bürger, nehmen Rechte nach solchen Gesetzen in der Praxis kaum in Anspruch.

Eine Vergleichszahl zur Veranschaulichung. Nach ersten Informationen liegt die Zahl aller Anträge von Brandenburger Bürgern nicht höher als die Zahl Kleiner Anfragen des Abgeordneten Gärtner allein zu meinem Geschäftsbereich im gleichen Zeitraum.

Interessiert zeigen sich z.B. Wirtschaftsunternehmen, die Behördenverhalten in allen Einzelheiten auskundschaften wollen, um Erfahrungen für eigene unternehmerische Zwecke zu gewinnen. Die Verwaltung arbeitet, ein Beratungsunternehmen z.B. verdient daran. Auch Stellen, die keiner privilegieren will, z.B. Sekten oder radikale Gruppierungen, berufen sich ebenfalls auf ein allgemeines Informationszugangsrecht.

Wenn man über die Einführung eines allgemeinen Akteneinsichtrechtes diskutiert, muss man über den Tellerrand dieses Gesetzes hinausschauen und prüfen, welche Auswirkungen es auf andere, schon existierende, Regelungen hat.

In Sachsen-Anhalt ist der Zugang zu amtlichen Informationen bereits durch eine Vielzahl von Einzelvorschriften geregelt. Diese gewähren dem Einzelnen jeweils Zugang zu all den Informationen, die er für die Wahrnehmung seiner Rechte und für die Teilhabe an der staatlichen Gemeinschaft benötigt.

Der Interessenlage des Einzelnen wird nach Bedarf Rechnung getragen. Der Informationszugang kann auf Verfahrensbeteiligte beschränkt werden (§ 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt) oder vom Nachweis eines berechtigten oder rechtlichen Interesses abhängig sein (z.B. nach dem Datenschutzgesetz oder dem Melderecht).

Bestimmungen über die Auslegung von Plänen oder die Veröffentlichung eröffnen jedermann den Zugang zu amtlichen Informationen. In Umweltangelegenheiten gewährt das Umweltinformationsgesetz freien Zugang zu amtlichen Informationen .

Aber auch ein allgemeines Informationszugangsrecht kann nicht ohne Beschränkungen auskommen. Denn bestimmte staatliche oder private Interessen müssen geschützt werden. Folgerichtig schließt auch der vorliegende Gesetzentwurf Informationsansprüche teilweise aus, insbesondere soweit es zum Persönlichkeitsschutz oder zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erforderlich ist.

Damit aber verspricht Ihr Entwurf mehr, als er halten kann. Denn in der Praxis würde der bloße Wechsel in der Gesetzessystematik die Informationsmöglichkeiten der Bürger nicht nennenswert verbessern.

Ein allgemeines Informationsfreiheitsgesetz kann nicht einfach ¿ wie von der PDS vorgesehen - neben die bisherigen Regelungen zum Informationszugang gestellt werden. Es müssten all die Normen, die mit dem geänderten Regelungsansatz nicht vereinbar sind, aufgehoben oder geändert werden.

Es ist deshalb unerlässlich, alle einschlägigen Vorschriften in Bund und Ländern zu erfassen und einzeln zu überprüfen. Anderenfalls müsste später der jeweilige Rechtsanwender das komplizierte Verhältnis zwischen allgemeinem Informationszugangsrecht, allgemeinem und besonderem Datenschutzrecht und den unzähligen weiteren Informationszugangsregelungen im Einzelfall klären.

Das Ergebnis wäre nicht Transparenz, sondern Chaos und Verwirrung. Um dies zu vermeiden, hätte die einbringende Fraktion ein umfangreiches Artikelgesetz einbringen müssen, welches dieses alles bereits berücksichtigt.

Die schon im Lande bestehenden Informationszugangsvorschriften ¿ einige habe ich genannt ¿ gehen allgemeineren Regelungen eines Informationszugangsgesetzes grundsätzlich vor. Es kann nicht Ihr Wille sein, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, zwar den Grundsatz der Aktenöffentlichkeit zu statuieren, ihn andererseits aber durch bestehendes Recht weitgehend auszuhöhlen.

Anrede,

Regelungen über den Zugang zu Informationen, die öffentlichen Stellen vorliegen, sind weitgehend dem Verfahrensrecht zuzurechnen. Dieses Recht muss im Interesse der Anwenderfreundlichkeit und der Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger im Bund und in den Ländern im Kern übereinstimmen.

Dies gilt für das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht, für die besonderen Verfahrensordnungen, z.B. die Abgabenordnung und das Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch. Aber auch für die unzähligen Regelungen zum Informationszugang in Fachgesetzen. Die Vorgehensweise in Bund und Ländern sollte gerade deshalb auch in dieser Frage abgestimmt sein .

Ein Wort zum Verwaltungsaufwand. Allen muss klar sein, dass das Informationszugangsgesetz bei intensiver Anwendung einen erheblichen Verwaltungsaufwand auslösen würde. Dagegen spricht, dass die Möglichkeiten in den drei Ländern in der Praxis bisher kaum genutzt wurden.

Anrede,

aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes, des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, des Geheimschutzes und des Gemeinwohls können und sollen nicht alle Informationen jedermann zugänglich sein.

Bisher hat der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber die Güterabwägung zwischen den widerstreitenden Interessen am Informationszugang bzw. -ausschluss durch bereichsspezifische Regelungen abstrakt vorweggenommen. Nun würde diese Abwägung in jedem Einzelfall von der Verwaltung getroffen werden müssen. Das wäre aufwendig und eine Abkehr von dem Grundsatz, die Verwaltung zu vereinfachen und zu verschlanken.

Ein Beispiel dafür:

Nach § 11 Abs. 1 sollen Informationen, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind oder durch deren Offenbarung dem Betroffenen ein wesentlicher Schaden entstehen kann, frei zugänglich sein, wenn das Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegt. Ich frage Sie, wie soll die Behörde im Einzelfall feststellen, dass das Informationsinteresse eines Einzelnen mit dem überwiegenden Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit gleichzusetzen ist?

Wer soll und wer kann, insbesondere in kleineren Verwaltungen, entscheiden, ob zu erwartende Nachteile für die Betroffenen hinzunehmen sind? Wer haftet für Fehler und in welchem Umfang? Ein Leckerbissen für Anwaltskanzleien, ein Beschäftigungsprogramm für Verwaltungen und Gerichte.

Ein Weiteres:

Soweit Informationen nicht allgemein zugänglich sein sollen, müssen sie abgeschottet werden. Dies mag bei automatisierter Verarbeitung verhältnismäßig einfach sein. Bei Aktenverarbeitung wäre die erforderliche Selektion nur mit erheblichem Aufwand zu leisten.

Dies gilt besonders für all die Akten, die noch nicht unter Berücksichtigung eines möglichen allgemeinen Informationszugangsrechts strukturiert worden sind. Ich zitiere § 14 Abs. 1: "Soweit und solange Voraussetzungen für Einschränkungen der Informationsfreiheit nach den §§ 9 bis 12 nur bezüglich eines Teils der Informationen vorliegen, besteht Anspruch auf Zugang zu den übrigen Informationen. Soweit und solange eine Aussonderung nicht möglich ist, besteht Anspruch auf Auskunftserteilung."

Dann müssten im Einzelfall umfangreiche Akten, die schon seit Jahren abgeschlossen sein können, Blatt für Blatt durchgesehen und mühselig die Informationen herausgefilter werden, die dem Antragsteller zugänglich gemacht werden dürfen.

Anrede,

die Durchführung des Gesetzes würde die Verwaltung mit erheblichen Kosten belasten. Dies gilt in besonderem Maße für die Kommunen, die den Großteil der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zu erledigen haben. Es bedürfte einer Kostenausgleichsregelung im Sinne des Art. 87 Abs. 3 der Landesverfassung.

Die Kosten würden wahrscheinlich nur zu einem Teil durch Gebühren und Auslagen zu decken sein. Eine Kostenregelung für den eigenen Wirkungskreis der Kommunen fehlt gänzlich. Im übrigen haben Erfahrungen mit dem Umweltinformationsgesetz und in anderen Ländern gezeigt, dass in diesem Bereich die Erhebung kostendeckender Gebühren ¿ sie betragen z.B. in Berlin zwischen 20 und 1000 DM - dem Bürger nicht vermittelbar ist.

Fazit des Ganzen: Ob wir wirklich ein Informationszugangsgesetz benötigen, bleibt offen. Der Gesetzentwurf ist unausgegoren und wirft mehr Fragen auf, als er klärt. Auf die Einbringung des Entwurfs sollte verzichtet werden.

 

 

 

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