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Pressemitteilungen der Ministerien

Auszüge aus der Rede von Innenminister
Dr. Manfred Püchel anlässlich des 10. Jahrestages der Brockenöffnung am 3.12.1999

03.12.1999, Magdeburg – 158

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 158/99

 

Magdeburg, den 3. Dezember 1999

 

 

Auszüge aus der Rede von Innenminister

Dr. Manfred Püchel anlässlich des 10. Jahrestages der Brockenöffnung am 3.12.1999

 

Anrede,

Ich freue mich, Sie alle hier an diesem denkwürdigen Tag begrüßen zu können und danke dem Harzklub für die Einladung. Es ist Ihr Tag, den wir heute begehen. Denn viele von Ihnen gehörten damals zu denen, die an jenem denkwürdigen 3. Dezember 1989 die Brockenöffnung erzwangen. Mit dem Ruf "Macht das Tor auf" eroberten sie ihren Brocken zurück.

Ich kann das Glücksgefühl der Menschen von damals heute noch verstehen. Nachdem wir alle am 9. November unsere Freiheit wiedererlangten, befreiten sie an diesem Tag ihren Berg. Manche waren nach Jahrzehnten zum ersten Mal wieder auf dem Brocken. Die Jüngeren haben ihn jahrzehntelang aus der Ferne gesehen, ohne ihn je besteigen zu können.

Was macht den Brocken eigentlich so anziehend? Warum besteigen ihn so viele Menschen und viele immer wieder. Jeder wird seinen eigenen Beweggrund haben. Bei den meisten hat es wahrscheinlich auch etwas mit der grenzenlosen Freiheit zu tun, die man hier oben genießen kann. Mit dem Blick in die Ferne, mit den unvergleichlichen Sonnenaufgängen, mit der weiten Sicht, mit der rauhen Natur.

Der Brocken zog schon immer Menschen in seinen Bann. Goethe war hier, ihn hat der Brocken zu den Walpurgisnachtszenen im Faust inspiriert. Hans Christian Andersen hat ihn bestiegen. Für Heinrich Heine war er einfach der deutscheste aller Berge.

Der Brocken ist auch beliebtes Ausflugsziel für Politiker. Und ich weiß warum. über sich hat man nur den Himmel. Neben sich hat man auch nichts mehr ¿ der Traum eines jeden Politikers. Der Brocken hat auch den Vorteil, man kommt hoch hinaus und hat immer noch den Boden unter den Füßen, bzw. verliert nicht die Bodenhaftung.

Immer war der Brocken von Geheimnissen umgeben. Am geheimnisumwittertsten war er jedoch zu DDR-Zeiten. Dafür sorgten 2,6 km Mauer, Stacheldraht, Minengürtel und Grenzsoldaten.

Sie waren Teil des "Eisernen Vorhangs", der mitten durch Deutschland ging, mitten durch den Harz. Während sich in den westlichen Besatzungszonen nach 1945 eine demokratische Gesellschaft herausbildete, wurde in der sowjetischen Besatzungszone eine Diktatur errichtet, die den Menschen grundlegende Rechte vorenthielt, wie Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit.

Die SED-Führung hatte ein ganzes Volk eingemauert. Der zynisch "antifaschistischer Schutzwall" genannte Todesstreifen war jedoch nichts anderes als das Eingeständnis eigener Schwäche. Er ist ein Dokument dafür, zu welch schrecklichen Mitteln ein Staat greift, wenn er Angst vor seinen Bürgern hat.

Auch der Brocken wurde eingemauert, zum einen um den Horchposten zu verstecken, zum anderen um jeden Freiheitsgedanken zu ersticken, der einen erfaßt, wenn man hier oben steht. Ich kann gut nachfühlen, wie es den Menschen vor allem aus der Region erging, als man ihnen den Aufstieg zu Altvater Brocken nahm.

So wurde auch der Brocken zu einem weithin sichtbaren Symbol der deutschen Teilung, ein weithin sichtbares Zeichen der Unfreiheit. Wenn sie es gekonnt hätten, hätten die Kommunisten sogar noch den Brocken abgetragen. Dies ging natürlich nicht. So blieb uns bei schönem Wetter der Blick zum Brocken und die Sehnsucht nach Freiheit, die für uns hinter dem Brocken lag.

Mit dem Blick zum Brocken wurde uns aber auch der direkte Blick in die Freiheit eröffnet, über das Fernsehen. Die Antenne auf den Brocken ausgerichtet, konnte man sich jeden Abend die Welt hinter dem Brocken in die Stube holen. Das Schlüsselwort hieß Torfhaus.

Meine erste Harzreise nach der Grenzöffnung führte mich deshalb nicht auf den Brocken, sondern nach Torfhaus. Um den Ort zu sehen, von dem ich schon als Kind geträumt hatte. Und der mich so manchmal beschäftigte, wenn das Testbild eingestellt werden mußte.

Die DDR war ein rohstoffarmes Land, das wissen wir alle noch aus dem Geographieunterricht. Reich war sie jedoch an Witzen. Ein Witz fällt mir spontan immer ein, wenn ich den Brocken sehe. Nämlich die Frage nach dem höchsten Berg der Welt, dem Brocken, weil ihn niemand bezwingen konnte.

Seit dem 3. Dezember 1989 stimmt das Gott sei Dank nicht mehr. Die Menschen erzwangen mit ihrem Freiheitswillen auch hier die öffnung. Seitdem ist er wieder der höchste Berg Norddeutschlands, geliebt und verehrt von den Sachsen-Anhaltern und Niedersachsen, vor allem natürlich von den Harzern.

Ab Mitte der 80er Jahre begann in der DDR ein Prozess, der als Emanzipation der Bevölkerung bezeichnet werden kann. Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung im Herbst 1989.

Niemand, der diese Zeit erlebt und vielleicht auch mitgestaltet hat, wird jene Wochen und Monate je vergessen können. Am 9. November 1989 begann der Prozess der Auflösung der DDR und die überwindung der Teilung Deutschlands. 10 Jahre sind seit diesen Ereignissen vergangen. Die DDR trat am 3. Oktober 1990 der Bundesrepublik Deutschland bei. Der Brocken ist wieder das, was er immer war, ein Berg mitten in Deutschland.

Ich möchte mit Goethe schließen, der am Morgen des 10. Dezember vor 222 Jahren beim Förster Christoph Degen im Torfhaus eintraf. Darüber schrieb er an Charlotte von Stein: "Wie ich gestern zum Torfhause kam, saß der Förster bei seinem Morgenschluck in Hemdsärmeln und diskursive redete ich vom Brocken und er versicherte die Unmöglichkeit hinauf zu gehn und wie oft er Sommers droben gewesen wäre und wie leichtfertig es wäre jetzt es zu versuchen. Die Berge waren im Nebel, man sah nichts und so sagt er ists auch jetzt oben, nicht drei Schritte vorwärts können Sie sehn. Und wer nicht alle Tritte weiß pp. Da saß ich mit schwerem Herzen, mit halbem Gedanken wie ich zurückkehren wollte. Und ich kam mir vor wie der König, den der Prophet mit dem Bogen schlagen heißt und der zu wenig schlägt.

Ich war still und bat die Götter, das Herz dieses Menschen zu wenden und das Wetter und war still.. So sagt er zu mir: nun können Sie den Brocken sehn, ich trat ans Fenster und er lag vor mir klar wie mein Gesicht im Spiegel, da gin g mir das Herz auf und ich rief: Und ich sollte nicht hinaufkommen! Haben sie keinen Knecht, niemanden. Und er sagte, ich will mit Ihnen gehen.

Ich habe ein Zeichen ins Fenster geschnitten zum Zeugnis meiner Freudentränen und wärs nicht an Sie, hielt ichs für Sünde zu schreiben. Ich habs nicht geglaubt bis auf der obersten Klippe. Alle Nebel lagen unten, und oben war herrliche Klarheit und heute Nacht bis früh war er im Mondschein sichtbar und finster auch in der Morgendämmerung.

Soweit unser Dichterfürst. Heute sieht die Welt etwas anders aus. Die Brockenbahn fährt bis zur Spitze. Hans Steinhoff wäre bestimmt nicht begeistert, wenn ich vor Rührung in seine Fenster schneiden würde. Geblieben ist aber der Berg mit seiner Faszination, geblieben ist die Herausforderung, ihn zu besteigen. Geblieben ist das Glücksgefühl, das uns überkommt, wenn wir die Spitze erreicht haben. Gott sei Dank, daß wir dieses seit 10 Jahren wieder genießen dürfen.

 

 

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