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Pressemitteilungen der Ministerien

Rede von Minister Dr. Manfred Püchel zum Entwurf eines Gewaltschutzgesetzes sowie zum Landesaktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen

22.02.2002, Magdeburg – 28

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 028/02

 

Magdeburg, den 22. Februar 2002

 

Es gilt das gesprochene Wort!

Rede von Minister Dr. Manfred Püchel zum Entwurf eines Gewaltschutzgesetzes sowie zum Landesaktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen

TOP 9 der Landtagssitzung vom 22. Februar 2002

 

Im Rahmen der aktuellen Debatte hatte ich heute morgen bereits die Zahl der im vergangenen Jahr begangenen Mord- und Totschlagsdelikte erwähnt. Insgesamt sind 2001 148 Straftaten gegen das Leben registriert worden, wovon 23 vollendet wurden.

 

Zum Gegenstand der vorliegenden Beschlussempfehlungen, also zu den Fragen häuslicher Gewalt, sind Zahlen von Interesse, die diese Gesamtzahl in der Statistik unter dem Aspekt der sogenannten Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung untersetzen. Für den Eingeweihten wenig überraschend, für viele Außenstehende jedoch erschreckend ist, dass in gut 50 % dieser Fälle zwischen Tatverdächtigen und Opfern eine Verwandtschaft (31 Fälle) oder Bekanntschaft (44 Fälle) bestand.

 

Mord und Totschlag, meine Damen und Herren, finden im richtigen Leben im Unterschied zum Fernsehkrimi also überwiegend als sogenannte Beziehungstaten statt.

 

Im Hinblick auf die Frage der häuslichen Gewalt stellen diese Fälle selbstverständlich in ihrer Intensität und ihren Folgen traurige Extreme dar. Andererseits müssen wir davon ausgehen, dass die registrierten Zahlen gerade zur Gewalt im privaten Bereich gleichzeitig nur die bekannte Spitze des Eisberges bilden und sich darunter das verbirgt, was Kriminalisten ein großes Dunkelfeld nennen.

 

Es kann deshalb gar kein Zweifel daran bestehen, dass die Fragen häuslicher Gewalt eben nicht nur frauen- oder sozialpolitisch von Bedeutung sind. Auch im Bereich von Polizei und Justiz verdienen sie einer intensiveren Beachtung. Die Bundesregierung hat hierzu mit ihrem Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und der Verabschiedung des Gewaltschutzgesetzes einen entscheidenden Anstoß gegeben und wichtige gesetzliche Grundlagen gelegt.

 

Die Landesregierung hat den Aktionsplan mit ihrem Programm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder in Sachsen-Anhalt (Kabinettsbeschluss vom 8. Mai 2001) für das Land umgesetzt und ergänzt.

 

Im Kern geht es dabei aus meiner Sicht darum, staatliches Eingreifen in den privaten und familiären Bereich dort zu enttabuisieren, wo Gewalt stattfindet. Es geht ferner darum, den wirkungsvollen und nachhaltigen Schutz der Opfer häuslicher Gewalt deutlicher als bisher zur Geltung zu bringen.

 

Der ehrgeizige Begriff vom notwendigen Paradigmen- oder Perspektivwechsel, der sich auch in der vorliegenden Beschlussempfehlung des Gleichstellungsausschusses findet, beschreibt diesen Anspruch des Landesaktionsplanes also durchaus zutreffend.

 

Die öffentliche Diskussion zu diesem Thema ist durch die genannten Programme in Bund und Land in erfreulicher Intensität in Gang gekommen. Sie spiegelte sich hier im Landtag durch mehrere Befassungen im Lauf der zu Ende gehenden Legislaturperiode wider. Und es würde mich auch im Namen meiner Kollegin Kuppe freuen, wenn der Landtag diese Initiative der Bundes- und Landesregierung ausdrücklich begrüßen würde, wie es im zweiten Punkt der vorliegenden Beschlussempfehlung in der Drucksache 3/5297 vorgesehen ist.

 

Weshalb die von der CDU-Fraktion geforderte änderung unseres Polizeigesetzes in dieser Richtung dagegen zum jetzigen Zeitpunkt noch zur Unzeit käme, umreißt der dritte Punkt der genannten Beschlussempfehlung sehr zutreffend.

 

Sicherlich ist es so, dass sich die Forderung nach einem Perspektivwechsel in Fällen häuslicher Gewalt auch an die Adresse der Polizei richtet.

 

Es ist typischerweise die Polizei, die, von Opfern oder Nachbarn zur Hilfe gerufen, unmittelbar mit solchen Konfliktsituationen konfrontiert wird. Häufig zur Nachtzeit, in der andere Behörden nicht oder kaum zu erreichen sind.

 

Von den Polizeibeamten wird hier in zumeist unübersichtlicher Situation entschlossenes und zugleich einfühlsames Handeln verlangt. Da die Beamten in der Regel selbst Mütter und Partnerinnen, Väter und Partner sind, gehören solche Einsätze im Polizeialltag im übrigen zu denen, die den Beamten persönlich besonders unter die Haut gehen.

 

Perspektivwechsel kann hier praktisch unter anderem bedeuten, nicht etwa die Opfer der Gewalt im Frauenhaus in Sicherheit zu bringen, sondern den Gewalttäter zwangsweise aus der gemeinsamen Wohnung zu entfernen.

 

Die Rolle der Polizei bei dieser Erstintervention nimmt dementsprechend im Programm der Landesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder breiten Raum ein.

Im Rahmen der Umsetzung des Programms bildet die entsprechende Aktualisierung und Intensivierung der Aus- und Fortbildung der Polizeibeamten dabei zur Zeit zu Recht einen Schwerpunkt.

 

Das neukonzipierte Seminar der Fachhochschule Polizei mit dem Titel "Professionelle polizeiliche Intervention bei häuslicher Gewalt" ist ein Beispiel für das neue Ausbildungsangebot. Mit ihm werden den Polizeibeamten gezielt Erfahrungen aus der polizeilichen Praxis und Wissen zur Konfliktbewältigung in solchen Fällen sowie Hinweise zu externen Beratungsangeboten vermittelt.

 

Ergänzt wird die praxisorientierte Aus- und Fortbildung durch eine neue Richtlinie zum polizeilichen Einschreiten in Fällen häuslicher Gewalt. Auch in der Richtlinie ist eine Aufstellung der einschlägigen Hilfs- und Beratungsangebote enthalten.

 

Diese Angebote zur sozialen, rechtlichen und psychologischen Beratung und Unterstützung der Opfer und Täter bilden auch aus polizeilicher Sicht einen ganz entscheidenden Baustein im Konzept zur Bekämpfung häuslicher Gewalt.

 

Denn es macht auch aus Sicht der Polizeibeamten wenig Sinn, die akute Streitsituation zu schlichten, den Gewalttäter dazu unter Umständen aus der ehelichen Wohnung wegzuweisen, wenn Opfer und auch Täter im Anschluss ratlos zurückbleiben. Eine langfristige Lösung des Konflikts ist in solchen Situationen schwierig genug und in aller Regel nur mit entsprechend intensiver Unterstützung durch Beratungsangebote zu erreichen.

 

Anrede,

ich habe bereits erwähnt, dass auch die rechtliche Beratung und ein schnelles Tätigwerden der Justiz dazu gehören, um eine umgehende gerichtliche Klärung des Wohnrechts in der gemeinsamen Wohnung zu erreichen. Auch diese Anforderung an die Justiz ist im Programm der Landesregierung enthalten.

 

Ich würde es deshalb gerade auch aus Sicht der Polizei für verfehlt halten, die Lösung des Problems allein in einer änderung des Polizeigesetzes zu suchen oder damit heute isoliert zu beginnen.

Eine überforderung ungenügend vorbereiteter Polizeibeamter, denen die notwendige Unterstützung anderer Stellen fehlt, hätte hier nur Frustrationen im Einsatzalltag zur Folge.

 

Bezeichnenderweise ist im Rahmen der Anhörung von Sachverständigen aus ganz unterschiedlichen Bereichen unter ihrem jeweiligen Blickwinkel die Notwendigkeit eines Gesamtkonzeptes betont worden:

Von den österreichischen Praktikern im Hinblick auf die dort bereits vorliegenden Erfahrungen, von bekannt kritischen Polizeirechtlern im Hinblick auf die erhebliche Grundrechtsrelevanz der Wegweisungsbefugnis, von den Polizeigewerkschaften aus Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Kollegen und von einem unserer Polizeipräsidenten aus Sorge um die Effektivität polizeilichen Handelns.

 

Dass eine änderung des SOG aktuell nicht erforderlich ist, da mit Ingewahrsamnahme und Platzverweis bereits ausreichende Instrumentarien für ein wirksames polizeiliches Eingreifen zur Verfügung stehen, hat ein durch die IMK in Auftrag gegebenes Gutachten ergeben.(IMK-Beschluss vom Mai 2001).

 

Ich verweise hierzu auch auf die praktischen Zahlen, die Polizeipräsident Schumann aus Halle in der Ausschussanhörung zum Modellprojekt seiner Polizeidirektion gegeben hat. Danach werden bereits jetzt in 10 % der Fälle, in denen die Polizei zu häuslichen Konflikten zugezogen wird, ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme des Gewalttäters angeordnet.

 

Sicherlich ist es wünschenswert, wenn das Polizeigesetz im Kontext der genannten flankierenden Maßnahmen nichtpolizeilicher Stellen zu gegebener Zeit präzisiert wird.

 

Die Gesetzesänderung sollte tatsächlich zu präzisen Rechtsgrundlagen führen. Dass der CDU-Entwurf insofern Schwächen hat, ist in der Ausschussanhörung deutlich geworden. Insbesondere zur Höchstdauer einer Wegweisung, der überprüfung der polizeilichen Anordnung durch andere Stellen, sowie zum Datenschutz in der Beziehung zwischen Polizei und den Interventionsstellen.

 

Ich schließe mich deshalb im Hinblick auf die Gesetzesänderungen im Ergebnis dem dritten Punkt der vorliegenden Beschlussempfehlung an: Wir sollten unser SOG zu einem späteren Zeitpunkt ändern.

 

Der hierzu erforderliche Gesetzentwurf sollte gestützt auch auf die Ergebnisse der Anhörung sorgfältig vorbereitet und zu Beginn der kommenden Legislaturperiode eingebracht werden. Die Gesetzesänderung kann dann im Rahmen des Gesamtkonzeptes zum richtigen Zeitpunkt in Kraft treten, wie es das Programm der Landesregierung vorsieht.

 

 

 

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