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Pressemitteilungen der Ministerien

Rede von Innenminister Dr. Manfred Püchel zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion zum Schutz der Bevölkerung vor Terrorismus

22.02.2002, Magdeburg – 23

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 023/02

 

Magdeburg, den 22. Februar 2002

 

Es gilt das gesprochene Wort!

Rede von Innenminister Dr. Manfred Püchel zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion zum Schutz der Bevölkerung vor Terrorismus

TOP 8 der Landtagssitzung am 21./22. Februar 2002

 

Auf den Gesetzentwurf der CDU zur änderung des SOG bin ich bei seiner Einbringung bereits im Einzelnen eingegangen. Ich möchte deshalb die Ausführungen, die ich in der Oktobersitzung im Rahmen meiner Regierungserklärung zur Inneren Sicherheit nach den Terroranschlägen in den USA gemacht habe, nicht wiederholen. Ich kann mich heute auf zwei Punkte beschränken, die aktuell nachzutragen sind.

 

Der erste betrifft die mit der Mehrheit von SPD und CDU im SOG geschaffene polizeiliche Befugnis zur sogenannten Schleierfahndung. Die Maßnahme wurde in unserem Gesetz als lagebildabhängige Kontrolle ausgestaltet, die eine Anordnung des Behördenleiters voraussetzt und auf Bundesfernstraßen beschränkt bleibt.

 

Der Polizei wird ein kurzzeitiges Anhalten und Befragen der betroffenen Personen und die Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen ermöglicht. Sie werden sich erinnern, dass diese eingeschränkte Fassung der Tatbestandsvoraussetzungen in den Gesetzesberatungen nicht zuletzt dem Urteil des Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern geschuldet war. Die dortige weitergehende Vorschrift, die als Befugnis zur Identitätsfeststellung mit allen polizeirechtlichen Folgemaßnahmen ausgestaltet war, ist in diesem Urteil für verfassungswidrig erklärt worden.

 

Die CDU empfiehlt nun, die in Mecklenburg-Vorpommern als verfassungswidrig aufgehobene Regelung in Sachsen-Anhalt einzuführen.

 

Ich hatte bereits im Oktober darauf hingewiesen, dass auch gegen unsere SOG-änderungen Beschwerde beim Landesverfassungsgericht eingereicht worden war. Das Gericht hat zwischenzeitlich am 13. November entschieden. Die Bestimmung unseres Polizeigesetzes hat der landesverfassungsgerichtlichen Prüfung standgehalten.

 

 

Dabei ist in den Entscheidungsgründen des Gerichts ausdrücklich darauf abgehoben worden, dass unsere Regelung im Unterschied zu der früheren Mecklenburgischen die Polizeibefugnis an einschränkende tatbestandliche Voraussetzungen knüpft. Die Tatsache, dass diese Entscheidung nach dem 11. September ergangen ist, unterstreicht, dass sich diese verfassungsrechtliche Einschätzung auch durch die Terroranschläge nicht geändert hat. Spätestens nach dieser Entscheidung sollte sich die Diskussion um die Ausweitung von Straßenkontrollen erledigt haben.

 

Anrede,

ich komme zum zweiten Punkt des Gesetzentwurfs, auf den ich eingehen möchte und der sich in der Tat nicht erledigt hat, weil es hier im Unterschied zu den Straßenkontrollen einen sehr unmittelbaren Bezug zur Terrorismusbekämpfung gibt:

 

Ich meine die Rasterfahndung, zu der ja in den vergangenen Tagen in den Medien ausführlich berichtet worden ist. übrigens in einer Art und Weise, die mich, offen gesagt, doch sehr bedenklich stimmt. Die Halbwertzeit des Erschreckens über die Terroranschläge in New York und Washington, meine Damen und Herren, ist offensichtlich doch sehr gering.

 

Denjenigen, die heute von Kriegshysterie bei der Anordnung der Rasterfahndung und der notwendigen überprüfung der im Herbst getroffenen Maßnahmen sprechen, empfehle ich, sich noch einmal ohne jede Hysterie die Bilder vom September in Erinnerung zu rufen.

 

Zum Beispiel die der Vollversammlung in der Technischen Universität Hamburg-Harburg unmittelbar nach dem 11. September. Die Bilder von Studenten und Dozenten, in deren nachdenklichen Gesichtern Ungläubigkeit und Entsetzen geschrieben stand ¿ über die Nachricht, dass ihre langjährigen Kommilitonen Atta und Al Shebbi gerade zu brutal kalkulierenden, menschenverachtenden Massenmördern geworden waren.

 

Anrede,

die Sicherheitsbehörden gehen trotz der militärischen Erfolge in Afghanistan und des weltweit hohen Fahndungsdruckes der Sicherheitsbehörden noch immer nicht von einer Abschwächung der Gefährdungslage aus.

 

Erst in der vergangenen Woche hat uns das FBI konkrete Warnungen aufgrund der Aussagen von Gefangenen der Al Queda-Organisation und Spurenfunden in Afghanistan mitgeteilt.

 

Den deutschen Behörden liegen zwar keine Erkenntnisse vor, die auf eine konkrete Gefährdung für die Bundesrepublik hindeuten. Es besteht also nach wie vor kein konkreter Anlass zu Befürchtungen vor Anschlägen hier in Deutschland.

 

Die Anschläge von New York zeigen jedoch, dass Gefahren, die von Deutschland ausgehen, sich aufgrund der Internationalität des Terrorismus der Al-Queda nicht unbedingt hier konkretisieren müssen.

 

Ich erinnere nur an den Attentäter, der am 22.12. letzten Jahres mit einem in seinem Schuh befindlichen Sprengsatz in Paris einen Flug nach Miami bestieg. Es ist nach wie vor nicht geklärt, ob es sich um einen Einzeltäter handelte. Allein die Tatsache, dass der Verbleib von Osama bin Laden bis heute unklar ist, lässt eine Bagatellisierung der Gefahr nicht zu. Käme es zu seiner Gefangennahme würde dies die Gefährdungseinschätzungen noch einmal zuspitzen.

 

Anrede,

seit dem 24. Oktober wissen wir aus Ermittlungsergebnissen des BKA definitiv, dass auch Sachsen-Anhalt als Unterschlupf für internationale Terroristen gedient hat. Der marokkanische Student Essabar, der 1 ½ Jahre in Köthen gelebt hatte, wird zum sogenannten Hamburger Kreis gezählt. übrigens ist Essabar unabhängig von den Ermittlungen des BKA auch im Rahmen unserer Rasterfahndung angefallen. Ein Zeichen dafür, dass unsere Kriterien bei der Rasterfahndung richtig gewählt war.

 

Tun wir also nicht so, meine Damen und Herren, als ob es sich im Hinblick auf den islamistischen Terrorismus um bereits überwundene oder hier in Sachsen-Anhalt insofern nur um abstrakte Gefahren handeln würde.

 

Ob uns die laufende Rasterfahndung bei der Suche nach möglichen Terroristen oder ihren Helfern am Ende weiterhelfen wird, kann im Moment niemand sagen. Sie wissen, dass mit diesem polizeilichen Mittel ohnehin weitgehend Neuland beschritten werden musste.

 

Angesichts der Gefahren, die im September deutlich geworden sind, kann ich ihnen allerdings eines mit Bestimmtheit sagen: Ich bin der überzeugung, dass wir unverändert jedes vertretbare Mittel nutzen müssen, um die Gefahren des internationalen Terrorismus abzuwehren.

 

Und die Rasterfahndung ist eines der wenigen Mittel, die uns hierzu zur Verfügung stehen. Es wäre daher unverantwortlich, diese Fahndung jetzt nicht fortzuführen. Und in einem bin ich mir völlig sicher, nach eben jener Verantwortung würde ich von den größten Kritikern im Falle eines weiteren Anschlags peinlichst befragt werden.

 

Anrede,

ich bin mir mit allen meinen Länderkollegen und dem Bundesinnenminister darin einig, dass es zur Fortführung der Rasterfahndung gegen internationale Terroristen und deren potentielle Unterstützer keine Alternative gibt.

 

Auch ich habe vor diesem Hintergrund die Gerichtsentscheidungen in einigen Ländern zur dortigen Rasterfahndung mit Sorge gelesen.

 

Ich hielte es jedoch im Unterschied zur CDU für falsch, diese Gerichtsentscheidungen in anderen Ländern zum Anlass für eine überstürzte Gesetzesänderung in Sachsen-Anhalt zu nehmen.

 

Zum einen hatten wir in Sachsen-Anhalt im Unterschied zu einigen anderen Bundesländern eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rasterfahndung. Bei uns bestand daher im September kein Anlass zu hektischer gesetzlicher Nachbesserung.

 

Zum Zweiten liegt unserer Rasterfahndung aufgrund des Richtervorbehalts eine positive richterliche Entscheidung zugrunde. Das hat in den Verfahren mit betroffenen Stellen hier im Land bereits im September die Akzeptanz für den Datenabgleich erhöht und gibt im Hinblick auf die Bestandskraft der Anordnung Anlass zu Optimismus.

 

übrigens lässt sich vor diesem Hintergrund auch sehr wohl darüber streiten, ob es - von den rechtsstaatlichen Aspekten einmal abgesehen - klug wäre, den Richtervorbehalt an dieser Stelle abzuschaffen, wie es die CDU in ihrem Gesetzentwurf fordert.

 

Drittens müssen die Gerichtsentscheidungen und ¿verfahren differenziert betrachtet werden. So hat das OLG Düsseldorf das Vorliegen einer gegenwärtigen konkreten Gefahr, wie sie in NRW und bei uns für die Rasterfahndung vorausgesetzt wird, ausdrücklich bejaht und die Fahndung auch für verhältnismäßig erklärt.

 

Lediglich im Fall eines deutschen Staatsangehörigen wurde die Rasterfahndung für rechtswidrig erklärt. Das Gericht forderte die Beschränkung auf Staatsangehörige aus Problemstaaten. Darauf hatten wir die Fahndung in Sachsen-Anhalt jedoch von vornherein beschränkt. Nach der nordrhein-westfälischen Rechtsprechung ist unsere Rasterfahndung also nicht zu beanstanden.

 

Gegen die Urteile, die Rasterfahndungen in anderen Ländern für rechtswidrig erklärten (Berlin und Hessen), sind dort Rechtsmittel eingelegt worden, die auf die positive Entscheidung des nordrhein-westfälischen Obergerichtes Bezug nehmen.

Dementsprechend wird auch in diesen Bundesländern nicht an eine änderung der Ermächtigungsgrundlagen gedacht. Aktuell werden wir durch die Entscheidung in Rheinland-Pfalz gestützt.

 

Anrede,

ich habe vor diesem Hintergrund auf der Ebene der Innenministerkonferenz angeregt, eine Gruppe von Polizeirechtsexperten einzusetzen. Die Arbeitsgruppe soll u. a. die Erfahrungen mit der aktuellen Rasterfahndung länderübergreifend im Hinblick auf rechtliche Fragen und gesetzgeberischen Handlungsbedarf abklopfen.

 

In diesem Zusammenhang wird auch die bereits angesprochene Frage des Richtervorbehalts gründlich abzuwägen sein.

 

Meine Anregung ist im zuständigen Arbeitskreis der IMK bereits in der vergangenen Woche aufgegriffen worden. Ich gehe deshalb davon aus, dass wir auf der Grundlage der Arbeitsgruppenergebnisse alsbald Aufschluss darüber bekommen, ob und inwieweit die Polizeigesetze der Länder geändert werden sollten - wie ich hoffe einheitlich.

 

Denn eines hat die laufende Rasterfahndung gezeigt: Dieses polizeiliche Mittel wird in aller Regel bundeseinheitlich eingesetzt werden müssen. Ich habe mich daher für einheitliche Ermächtigungsgrundlagen in allen Ländern ausgesprochen. Eine vorschnelle änderung in einem sachsen-anhaltischen Alleingang lehne ich deshalb dementsprechend zum jetzigen Zeitpunkt ab. Sie ist derzeit nicht erforderlich und wäre im übrigen Wasser auf die Mühlen der Kritiker.

 

Anrede,

ich habe bei der Einbringung des Gesetzentwurfs gesagt, dass ich vernünftigen Vorschlägen offen gegenüber stehe. Im Fall der Rasterfahndung bedeutet dies, die weitere Rechtsprechung und die daraus abgeleiteten Ergebnisse der IMK abzuwarten.

 

Im Fall aller anderen Punkte des CDU-Entwurfs hat die Beratung des Ausschusses erneut ergeben, dass für eine änderung des SOG zum jetzigen Zeitpunkt kein Bedarf besteht.

 

Im Fall der lagebildabhängigen Kontrollen habe ich eingangs ja auf die verfassungsrechtlichen Fragen verwiesen. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses kommt daher zu Recht zu dem Ergebnis, dass der Gesetzentwurf abgelehnt werden sollte. Ich empfehle Ihnen im Namen der Landesregierung dieser Beschlussempfehlung zu folgen.

 

 

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