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Aktuelle Pressemitteilungen - Sachsen-Anhalt

Redebeitrag Minister Dr. Püchel zur Aktuellen Debatte Verwaltungs- und Kommunalreform am 20. Januar 2000

20.01.2000, Magdeburg – 6

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 006/00

 

Magdeburg, den 20. Januar 2000

 

 

Redebeitrag Minister Dr. Püchel zur Aktuellen Debatte Verwaltungs- und Kommunalreform am 20. Januar 2000

 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

"Sachsen-Anhalts Politikern möchte man am liebsten eine Wurzelbürste und ein großes Stück Seife in die Hand drücken. Denn das Land braucht eine Tiefenreinigung. Und zwar an Kopf und Füßen. Was sich da in den letzten Jahren an Behörden und ämtern unten angesammelt hat, ist belastend.

Niedersächsische Beamte empfahlen 1990 Regierungspräsidien, saarländische Beamte empfahlen Landesämter: Sachsen-Anhalt nahm beides. Das Resultat: das arme Ostland beschäftigt mehr Beamte pro Einwohner als reiche Westländer. Das kostet viel ¿ mehr Aufschwung brachte es nicht." So kommentiert Jens Schmidt in der Volksstimme die Vorstellung des Leitbildes zur Verwaltungsreform.

Und er schreibt weiter:

"Der Trend zur größeren Gemeinde hat sich in Deutschland fast überall durchgesetzt. Die Länder haben erkannt: Damit lassen sich nicht nur Kosten sparen, damit bekommen die Bürger auch besseren Service. Die Kommunen brauchen gute Fachleute, anderenfalls produziert Verwaltung viel ärger. Siehe Straßenausbau oder Abwasser.

Erkannt haben das viele Bürgermeister, auch wenn sie aus parteipolitischen Gründen Püchel heftig kritisieren. Wie Naumburgs Oberbürgermeister und CDU-Innenexperte Curt Becker. Er hat in den letzten Jahren etliche Dörfer in seine Stadt eingemeindet. Und sein Kreis, der Burgenlandkreis, steht mit fast 150.000 Einwohnern ganz vorbildlich da." Zitat Ende.

In der Mitteldeutschen Zeitung kommentiert am selben Tag Hans-Jürgen Greye:

"Die Kritiker haben ein weites Betätigungsfeld. Gerade erst gewinnen die vor gut fünf Jahren geänderten Strukturen an Festigkeit, da soll erneut alles anders werden? In der entstehenden Unruhe könnte vieles von dem, was mühsam errichtet wurde, wieder kaputt gemacht werden. Befürchtungen, die berechtigt sind. Doch sie führen nicht zum Ziel ¿ zu einem zukunftsfähigen Sachsen-Anhalt. Das Land und seine Kommunen sind davon weit entfernt.

Eine zweite Reform tut not. Auch , weil die erste von 1993/94 zu kurz gegriffen hat. Es wird zuviel verwaltet in Sachsen-Anhalt. Das treibt die Kosten in die Höhe, führt zu zeit- und nervenaufreibender Doppelarbeit und raubt Kraft. Mit 1300 Gemeinden, 21 Landkreisen, drei Regierungspräsidien und etlichen ämtern leistet sich das Land für gerade einmal 2,6 Millionen Einwohner einen Luxus, der nicht bezahlbar ist."

Zitat Ende.

Beide Journalisten sind parteipolitisch weder in die eine noch in die andere Richtung festgelegt. Vielmehr haben sie die Landespolitik in den vergangenen Jahren stets kritisch begleitet.

Mit den zitierten Kommentaren reagierten sie auf die Vorstellung des Leitbildes zur Verwaltungs- und Kommunalreform in Sachsen-Anhalt. Bei dieser Vorstellung des Leitbildes habe ich betont, dass es Grundlage für eine Diskussion zu den Strukturen in unserem Lande sein soll. Sofort nach der Vorstellung begann - wie erwartet und gewünscht - dann auch die Diskussion dazu.

Die Reaktionen auf das Leitbild waren und sind teilweise heftig. Ich habe dies nicht anders erwartet, denn es geht bei der Verwaltungs- und Kommunalreform um die Veränderung der Strukturen, in denen wir in den kommenden Jahren und Jahrzehnten das politische Leben in unserem Lande gestalten wollen.

Die meisten Reaktionen erfolgten und erfolgen aus einer Betroffenheit heraus, was auch verständlich ist. Denn viele haben sich auf die jetzige Situation eingestellt, darin eingerichtet. Die erste Landesregierung hatte mit ihrer halbherzigen Kreisgebietsreform und der Bildung kleiner Verwaltungsgemeinschaften niemandem weh tun wollen und den Weg des geringsten Widerstandes gewählt. Nur in den betroffenen Kreisen schlugen die Wellen hoch. Die anderen verhielten sich still, um ungeschoren davonzukommen.

Ich erinnere mich noch an die Aussage des damaligen Ministerpräsidenten Münch in Quedlinburg. Sinngemäß sagte er: Euer Kreis kann bestehen bleiben, strengt Euch bloß beim Kinderkriegen an. Sie haben sich nicht angestrengt, im Gegenteil.

Insbesondere die Kreissitzfrage wurde damals fast zu einer Frage des Seins oder Nichtseins hochstilisiert. Die Abgeordneten der ersten Wahlperiode werden sich noch gut an den Auftritt des Abgeordneten Schellbach aus Zeitz erinnern, der im Angesicht einer schmählichen Niederlage noch einmal seinen lieben Curt anflehte. Doch der liebe Curt blieb hart, Naumburg wurde Kreisstadt.

Mit dem Leitbild stehen wir vor einer ähnlichen Diskussion wie 1992/1993. Nur damals hat die Opposition von Anfang an konstruktiv mitgearbeitet. Heute geht es nach dem Ritual, alles was von der Regierung kommt, ist erst einmal schon im Ansatz schlecht. Außerdem wird gleich wieder viel mehr hineininterpretiert, als wirklich gedacht ist. Nach dem Motto, was hat der Püchel mit seinem Leitbild wirklich vor?

Die CDU ist sowieso dagegen. Ihre Reaktion kannte man schon vorher. Wenige Wochen vor der Veröffentlichung des Leitbilds lädt sie zu einer Pressekonferenz ein. Prof. Böhmer erkennt in seinem Eingangsstatement grundsätzlichen Reformbedarf im Lande. Hierin stimmen wir, glaube ich, alle überein. Seine Koreferenten beschränkten sich bei ihren Forderungen jedoch nur auf die Landesverwaltung und hier kritisieren sie nur die Vielzahl der Landesämter. Die kommunale Ebene blieb außen vor.

Nachdem ich das Leitbild nun vorgestellt habe, kommt von der CDU, wie nicht anders erwartet, als konstruktiver Beitrag, dass wir eine Verwaltungs- und Funktionalreform benötigen, jedoch keine Kommunalgebietsreform.

Aber, meine Damen und Herren, wir brauchen beides . Und wir haben beides auch aufgegriffen. Wir setzen uns sowohl mit der Ebene der Landesverwaltung als auch mit der kommunalen Ebene auseinander. Denn wenn man die eine Ebene verändern will, hat dies auch Auswirkungen auf die anderen. Wenn die Verwaltung unseres Landes verändert werden soll, muss dies in einem Guss geschehen. Das heißt, die Reform muss ganzheitlich erfolgen.

Die PDS nun warnte auf einer Pressekonferenz die SPD-Landesregierung davor, eine kommunale Gebietsreform in Sachsen-Anhalt ohne breite Diskussion im Schnellverfahren durchzusetzen. Sie erklärte, dass hier ein breiter überparteilicher Konsens anzustreben sei. Das sehe ich genauso. Im Satz zuvor lobt sie die gründliche Vorbereitung der Gebietsreform im Jahre 1993. Was heißt, dass ich mir die CDU zum Vorbild nehmen soll. Das riecht schon wieder nach CDU-toleriertem Innenminister.

Aber wie sah es denn damals in der so gelobten Zeit aus? Am 31. März 1992 stellte die damalige Arbeitsgruppe ihr Leitbild fertig. Anfang Juli, also nur drei Monate später, wurden bereits konkrete Karten zu den neuen Kreisstrukturen auf den Tisch gelegt. Nur ein Jahr später wurde das Gesetz zur Kreisgebietsreform verabschiedet.

Wenn man sich diesen zeitlichen Ablauf ansieht, hätte die Kritik der PDS ganz anders lauten müssen, nämlich dass wir uns mit unseren Vorstellungen viel zu viel Zeit lassen. Denn wir haben unser Leitbild im Dezember 1999 vorgestellt und wollen erst vier Jahre später das Gesetz verabschieden.

Zum besseren Verständnis möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren, einige Eckpunkte des damaligen Leitbildes ins Gedächtnis rufen. Ich empfehle den Interessierten, dieses einmal in Gänze zu lesen, was nicht schwer fallen dürfte, denn es umfasst nur 16,25 Seiten, abzüglich drei Seiten Formalien, abzüglich einer halben nichtbeschriebenen Seite. Und dazu noch alles anderthalbzeilig geschrieben.

Sehr geehrter Herr Bergner, wenn Sie mein Leitbild als nebulös bezeichnen, was haben Sie denn damals zu Ihrem Pamphlet gesagt?

Unter anderem heißt es: öffentliche Verwaltung ist in zunehmendem Maße öffentliche Dienstleistung und Daseinsvorsorge; sie ist Teil und zugleich Motor öffentlicher Infrastruktur. Sie unterliegt einer immer stärkeren Verrechtlichung. Die Kenntnis von Vorschriften und Aufgaben, die durch Verlagerung von Kompetenzen auf die Europäische Gemeinschaft und auf zunehmend stärker einwirkendes EG-Recht, aber auch durch Fortentwicklung von Landes- und Bundesrecht zu erwarten sind.

Einige Absätze weiter:

Selbst bei Einhaltung strengster Wirtschaftlichkeit und Effizienz ist deshalb eine solche notwendige Stärkung der Verwaltungskraft auf Dauer nur zu erreichen und zu sichern über genügend große Einheiten. Dies bedeutet vor allem mehr Einwohner , wird aber auch mehr Fläche und größere Entfernungen zur Folge haben.

Im Ergebnis heißt es dann:

Ausschließlich unter verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten im Spannungsfeld zwischen Ausstattung und hinreichender Auslastung sind Größenordnungen von 10.000 bis 12.000 Einwohnern ermittelt worden. Dabei wurde allerdings von einer voll ausgebildeten Verwaltungseinheit ausgegangen, wie sie das Land Sachsen-Anhalt anstrebt . Derartige Einheiten sind innerhalb der nach allgemeiner Erfahrung maximal zumutbaren Erreichbarkeit auf Gemeindeebene (15 km Radius) landesweit möglich. Möglich, meine Damen und Herren!

Eine gründliche Abwägung aller Kriterien ließ es die Arbeitsgruppe dann jedoch sinnvoll erscheinen, als untere wirtschaftliche und funktionale Größenordnung Einheiten von 5.000 Einwohnern zu akzeptieren. Tatsächlich haben wir in Sachsen-Anhalt übrigens 32 Verwaltungsgemeinschaften und sechs selbständige Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern.

ähnlich inkonsequent war man auch bei den Landkreisen. So heißt es im Leitbild von 1992: Eine Analyse des erforderlichen Personals in den Kreisverwaltungen hat ergeben, dass für die vielfältigen Fachaufgaben ein bestimmter Personalstamm unabhängig von der Einwohnergröße vorgehalten werden muss. Das bedeutet, dass größere Kreise tendenziell kostengünstiger arbeiten können. Die beobachteten Kostensprünge lassen eine Einwohnerzahl von 120.000 empfehlenswert erscheinen.

Hinsichtlich der Stellung der Landkreise im Gesamtgefüge des staatlichen Aufbaus rechtfertigen die vorhandenen Bezirksregierungen insoweit überschaubare Kreisgrößen. Bei einer zentraleren staatlichen Organisation müssen allerdings im Hinblick einer realistischen Leitungsspanne Kreise mit einer Einwohnerzahl von bis zu 250.000 gebildet werden.

Stellen Sie sich einmal vor, ich hätte dieses gesagt!

Vier Seiten weiter heißt es dann: Ausgehend von einem angemessenen Verhältnis von Leistungsfähigkeit und Auslastung auf der einen Seite und von Kosten und Nutzen auf der anderen Seite sollten Landkreise mit einer Einwohnerzahl von möglichst 120.000 erreicht werden.

Jetzt kommt wieder der schon bei der gemeindlichen Ebene vollzogene Fallrückzieher der CDU.

Ich zitiere:

Allerdings können im Einzellfall die nicht oder nur unvollständig quantifizierbaren Abwägungskriterien sehr wohl dazu führen, dass auch Landkreise unter 120.000 Einwohnern hinzunehmen sind. Dabei sollte aber eine Unterschreitung der Grenze von 80.000 Einwohnern vermieden werden.

Das Ergebnis ist allen bekannt:

Derzeit haben sechs Landkreise weniger als 80.000 Einwohner und nur vier mehr als 120.000. Im Jahre 2010 werden mindestens acht Kreise weniger als 80.000 Einwohner besitzen. Womit wir uns immer mehr vom damaligen Leitbild entfernen und der Handlungsdruck noch größer wird.

Also schimpfen Sie doch nicht, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Freuen Sie sich, dass wir Ihre Anregungen von damals mit berücksichtigt haben. Unterstützen Sie uns, damit Ihre Vorstellungen wenigstens 12 Jahre später noch in Erfüllung gehen. Und dass Sie davon ausgehen, dass die von mir vorgeschlagene Kreisgebietsreform Realität werden wird, zeigt eine Pressemitteilung von Herrn Kollegen Remmers, in der er sinngemäß eine zeitliche Abstimmung von Kreisgebiets- und Amtsgerichtsreform fordert.

Den größten Fürsprecher müsste ich eigentlich im Kollegen Becker finden. Ursprünglich wollte er einen Großkreis im Süden mit mehr als 220.000 Einwohnern. Herausgekommen ist der Burgenlandkreis mit 150.000 Einwohnern. Leitbildgerecht Herr Becker! Außerdem hat Herr Becker keine Verwaltungsgemeinschaft gebildet, sondern nur Eingemeindungen vorgenommen.

Meine Frau fragte mich gestern, wie er das gemacht hätte. Ich sagte ihr, dass er eine gute Leber haben muss. Das von mir kritisierte Trägergemeindemodell hat er dementsprechend auch nicht angewandt. Leitbildgerecht Herr Becker! Alles in allem: Leitbildlich vorbildlich Herr Becker.

Wo und wann passiert das schon einmal, dass ein Minister die Handlungen eines zugegebenermaßen sehr kompetenten Oppositionspolitikers so konsequent nachvollziehen will. Und Herr Bergner, wenn Sie mein Leitbild so heftig kritisieren, distanzieren Sie sich als Fraktionsvorsitzender von Ihrem damaligen Innenminister. Da geht es mir besser. Mein Fraktionsvorsitzender steht eindeutig zu mir.

Anrede,

so heftig die Reaktionen auf das Leitbild in der öffentlichkeit auch sein mögen, ich sehe doch überwiegende Zustimmung zu der grundsätzlichen Feststellung, dass das Land Sachsen-Anhalt eine Reform der staatlichen Verwaltung und der kommunalen Strukturen benötigt. Es geht um ein zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt. Wir wissen alle, dass Verwaltung kein Selbstzweck ist, sondern vielmehr auf allen Ebenen, also insbesondere auch auf der kommunalen, zuvörderst eine Serviceeinrichtung für die Menschen.

Das am 20. Dezember vorgestellte Leitbild ist ein abstraktes. Dies betrifft sowohl die kommunale Ebene wie auch die Landesverwaltung. Wer mir nun vorwirft, dass die Aussagen zur Landesverwaltung zu unkonkret seien, dem kann ich nur antworten, dass dies genau den Aussagen zur kommunalen Ebene entspricht. Anders wäre es gewesen, wenn das Leitbild z.B. bereits konkrete Karten zu neuen Kreisstrukturen beinhaltet hätte.

Außerdem gab es bisher so konkrete Aussagen zur Neustrukturierung der Landesverwaltung noch nicht: Reduzierung der Anzahl der Ministerien um zwei, Halbierung der Anzahl der Landesämter, Reduzierung der Landesbehörden in der Ortsinstanz um ein Drittel und dieses alles bis zum Jahre 2005.

Die Vorstellungen zur kommunalen Ebene stellen kein abschließendes Konzept dar, das im Verhältnis 1 : 1 übernommen werden kann. Bei der konkreten Umsetzung ist eine Vielzahl von Parametern zu berücksichtigen. Nicht nur fachliche Aspekte der Landesentwicklung, Landesplanung und Raumordnung. Vor Ort sind zusätzlich Aspekte der Historie, Verkehrsverbindungen, sozio-ökonomische Verflechtungen und anderes mehr zu beachten und abzuwägen. Schließlich haben wir eine Vielzahl von Diskussionen um andere Befindlichkeiten vor Ort zu führen. Und das Leitbild ist selbstverständlich politisch zu diskutieren.

Vor Ort ist man in der Diskussion zum Teil schon weiter, als manche wahrhaben wollen. Vielerorts hat man nur noch darauf gewartet, unsere Vorstellungen kennenzulernen, auch um zu sehen, ob sie mit den eigenen übereinstimmen.

Sehr weit in den überlegungen ist man z.B. in der Verwaltungsgemeinschaft Sülzetal, die nach den Vorstellungen der Kommunalpolitiker vor Ort und der dort ansässigen Landespolitiker in eine Einheitsgemeinde mit mehr als 11.000 Einwohnern umgewandelt werden soll. Diese Gemeinde würde sich von den Toren der Stadt Magdeburg bis vor die Tore der allseits bekannten, wenn nicht gar bedeutenden Gemeinde Etgersleben erstrecken. Wenn ich zu Hause aus dem Fenster schaue, kann ich den Bürgern dieser Großgemeinde sogar zuwinken.

Der Zusammenschluss dieser Gemeinden wird zu einer Stärkung der Region führen. Die Gemeinden ergänzen sich gegenseitig, einige Gemeinden haben florierende Gewerbegebiete, in einer Gemeinde befindet sich ein Naturschutzgebiet, die nächste besitzt eine Badeanstalt. Durch die Bildung der Einheitsgemeinde ist man in der Lage, die Region gleichmäßig zu entwickeln.

Anrede,

zurück zum Allgemeinen. Die Einwohnerinnen und Einwohner einer Gemeinde haben einen Anspruch darauf, dass die Verwaltung in der Lage ist, die Bedürfnisse, vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge, zu erfüllen.

Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn leistungsfähige und wirtschaftliche Strukturen vorhanden sind. Unser politisches Ziel kann dabei nicht lauten: Reform um der Reform willen. Es muss uns vielmehr um Optimierungen gehen. Wir müssen Lösungen finden, die uns auch bei Kosteneinsparungen in die Lage versetzen, anfallende Aufgaben im Bürgerinteresse ohne Qualitätsverlust weiterhin zu erledigen.

In den Kommunen treffen die Einwohnerinnen und Einwohner am unmittelbarsten mit der Verwaltung zusammen. Auch und gerade hier sind folglich Optimierungsüberlegungen anzustellen. Angesichts unseres Staatsaufbaus von unten nach oben müssen alle überlegungen auf der Ortsebene beginnen.

Wir dürfen aber nicht übersehen, dass es zwischen den verschiedenen Ebenen gegenseitige Abhängigkeiten gibt. Daher können Optimierungsüberlegungen nicht auf eine Ebene begrenzt bleiben. Sie müssen gleichermaßen alle erfassen, sowohl die verschiedenen kommunalen als auch die staatlichen.

Die Betrachtung muss dabei gleichzeitig erfolgen, da es, wie bereits gesagt, Wechselwirkungen gibt. Das Leitbild, das seit dem 20. Dezember diskutiert wird, bewegt sich im Kontext dieser überlegungen.

Der Handlungsbedarf im kommunalen Bereich ergibt sich nach der Leitbilduntersuchung, die ich von März letzten Jahres an durchführen ließ, aus mehreren Punkten, die sich zum Teil natürlich mit dem Reformbedarf auf Landesebene decken. Sie werden Ihnen allen bestens bekannt sein. Und nur zur Unterstreichung will ich einige nochmals hervorheben:

 

 

1. Die Entwicklung wettbewerbsfähiger Strukturen in allen Bundesländern. So weist Sachsen z.B. bei 4,5 Millionen Einwohnern noch 595 Gemeinden auf. Oder als Extrembeispiel: In NRW leben 18,8 Millionen Einwohner in 395 Gemeinden. Alle Länder mit Ausnahme Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns und uns haben eine Gebietsreform auf allen kommunalen Ebenen durchgeführt. Die beiden genannten Länder prüfen, ob sie nicht auch Reformschritte einleiten sollten.

2. Die änderung des Länderfinanzausgleichs im Jahre 2004.

3. Die Veränderung der EU-Förderung ab dem Jahre 2006, was zwangsläufig zu Einnahmeverlusten führen wird.

4. Die Entwicklung eines gemeinsamen großen Marktes in Europa, die Osterweiterung der EU.

5. Der zunehmende Wettbewerb der Länder und Kommunen bei Ansiedelung von Industrie und Dienstleistung. Damit einhergehend müssen entsprechende Angebote an Infrastruktur, Informationstechnik und Kenntnisse innerhalb der Verwaltung vorhanden sein, bis hin zum europäischen Rechtssystem.

6. Ich erinnere auch an die täglichen Meldungen von Banken- und Konzernfusionen.

7. Die Forderung nach hoher Verwaltungsqualität bei niedrigen Kosten.

8. Damit zusammenhängend die Klagen der Gemeinden über eine verwaltungsbedingte zu hohe Kostenbelastung gerade im Verhältnis gegenüber den Verwaltungsgemeinschaften.

9. Spannungsfelder zwischen den ehrenamtlichen Bürgermeistern und den Leitern der gemeinsamen Verwaltungsämter, die manch eine Verwaltungsgemeinschaft lähmen. In diesem Zusammenhang erinnere ich nur daran, wie schwierig sich in vielen Verwaltungsgemeinschaften die Beseitigung von Gründungsfehlern gestaltet.

10. Die nicht hinreichende Wahrung der Interessenlagen der Mitgliedsgemeinden durch die Verwaltung einer Trägergemeinde einer Verwaltungsgemeinschaft.

11. Eine zu kurz gegriffene Kreisgebietsreform im Jahre 1994.

12. Erinnern möchte ich vor allem auch an die Gutachten, die im Auftrag des Landesrechnungshofes bzw. des Bundes der Steuerzahler erstellt wurden.

 

Der Blick über die Landesgrenzen hinaus, das darf ich an dieser Stelle sagen, ist nicht unwesentlicher Antrieb für die Reformüberlegungen bei uns gewesen: Die Frage also, ob wir wirklich das einzige Land sein wollen, das sich den Reformerfordernissen verweigert. Und welche Argumente wir zum Beispiel in den nicht mehr allzu fernen Neuverhandlungen um den Länderfinanzausgleich finden wollen.

Die Feststellung von Herrn Dietrich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass Länder, die sich eine überteuerte Verwaltung leisten, in dem anstehenden Verteilungskampf um den Finanzausgleich in einer schlechten Position sein werden, lässt sich nicht von der Hand weisen. Herr Dietrich machte diese Feststellung in einem Artikel über unser Leitbild, das er im übrigen sehr positiv dargestellt hat.

Das hat auch Herr Wallbaum von der Hannoverschen Allgemeinen getan, obwohl das mir von ihm unterstellte Heldentum natürlich übertrieben war. Es hat nichts mit Mut zu tun, sich einem solchen Thema zu stellen. In erster Linie ist es die Pflicht,/ die Verantwortung, die wir übertragen bekommen haben, auch wahrzunehmen. Zumal das Thema - und auch das zeigen die heftigen Reaktionen - "reif" ist.

Lassen Sie uns zunächst darüber diskutieren, d.h. über die Frage, ob und in welchen Bereichen der von mir vorgeschlagenen Verwaltungs- und Kommunalreform der Landtag diese unterstützen will. Und in welcher Zeit die Details geklärt werden, die Reform schrittweise umgesetzt werden soll. Es dürfte wenig Zweck haben, jetzt über die Details selbst zu diskutieren.

Mir ist klar, dass zumindest für die Kommunalreform spätestens dann, wenn die freiwillige Phase endet und die Gesetzgebungsphase beginnt, wir auf entsprechende Mehrheiten bei den dann zu treffenden Entscheidungen angewiesen sein werden.

Jetzt müssen wir nur wissen, ob eine Reform im Grundsatz unterstützt wird oder nicht. Wir werden bereits in nächster Zeit konkreter diskutieren müssen, wenn es um die Amtszeit von Bürgermeistern und Landräten geht. Diese Frage muss geklärt werden und zwar in einem Vorschaltgesetz. Dieses könnte eine Verkürzung der Amtszeit von Bürgermeistern und Landräten beinhalten, wodurch ein zeitlicher Gleichklang der Wahltermine erreicht werden würde. Dies wäre der klarste, aber auch einschneidendste Schnitt.

Im Grunde besteht jedoch nur für die hauptamtlichen Bürgermeister Handlungsbedarf, deren Gemeinde die zukünftige Mindestgröße für Einheitsgemeinden derzeit nicht erreicht, sowie für Landräte, deren Landkreise nach der Kreisgebietsreform neu strukturiert werden. Alles in allem handelt es sich insgesamt um 30 bis 40 Personen, für die vorsorglich eine Lösung gefunden werden muss.

Die ehrenamtlichen Bürgermeister könnten als Ortsbürgermeister bis zum Ende der Wahlperiode weiter amtieren, z.B. auch mit Rederecht im neuen Gemeinderat.

Betroffen wären ebenfalls nicht die hauptamtlichen Bürgermeister der größeren Städte. Was für einen Sinn sollte es z.B. machen, die Amtszeit der Oberbürgermeister von Halberstadt oder Weißenfels zu verkürzen, wenn diese Städte von einer Gebietsreform gar nicht oder nur in einem geringen Ausmaß betroffen wären. Diese Fragen müssten als erstes in dem neuen Ausschuss beraten werden, der nach dem Willen der Mehrheit des Parlaments eingesetzt werden soll.

Mit der Zustimmung zu einer Vorschaltregelung wird kein Bekenntnis zu den einzelnen Vorschlägen des Leitbildes gefordert, wohl aber ein grundsätzliches Bekenntnis zu Reformen .

Nach meiner festen überzeugung, die durch die im Zusammenhang mit der Erarbeitung des Leitbildes durchgeführten Untersuchungen und Anhörungen bestätigt wurde, besteht auf allen Ebenen Reformbedarf. Wobei direkte Wechselwirkungen zwischen allen Ebenen zu erkennen sind.

Man muss dieses in Form einer Pyramide sehen, mit dem Landtag und den Ministerien an der Spitze. Die FAZ hat das Leitbild dafür gelobt, dass es die gesamte Verwaltung umfasst und "um den Gemeinden und Kreisen mit gutem Beispiel voranzugehen, die Treppe von oben kehrt".

Das trifft aber nicht ganz zu. Wenn ich bei dem Bild bleiben will, muss ich feststellen, meine Damen und Herren, die Treppe darf nicht nur gekehrt werden. Sie ist bei uns in einem Zustand, dass sie erst einmal erneuert und instand gesetzt werden muss. Exakt darum geht es!

Unbedingt reformbedürftig ist die gesamte Mittelinstanz. Meine überlegungen zur Reform der Mittelinstanz stellen im Grunde eine Weiterentwicklung des Kabinettsbeschlusses vom Februar 1997 dar. Ursprünglich war damals geplant, die drei Regierungspräsidien im Jahre 2007 zu einem Landesverwaltungsamt zusammenzufassen. Der Vorschlag lautet nun, diesen Prozess bereits im Jahre 2005 abzuschließen.

Die Anzahl der Landesoberbehörden, sprich Landesämter, soll auf die Hälfte reduziert werden. Dies soll durch vollständige oder teilweise Eingliederung von Landesämtern in das Landesverwaltungsamt bzw. durch Umwandlung von Landesämtern in Landesbetriebe erfolgen.

Die Anzahl der Landesbehörden in der Ortsinstanz soll um ein Drittel reduziert werden. Dieses noch einmal in Kurzform zur Landesverwaltung.

Verbunden damit ist die immer wieder geforderte Funktionalreform. Besitzen die Landkreise die entsprechende Größe, können ihnen auch neue Aufgaben übertragen werden. Hier befinden wir uns seit längerem in einem intensiven Diskussionsprozess. Bei der Aufgabenübertragung ist das Konnexitätsprinzip zu beachten, wobei es natürlich nicht sein kann, dass mit der übertragung höhere Kosten verbunden sind.

Anrede,

eine Kommunalreform fordern die Kommunen längst selbst. Der Landkreistag Sachsen-Anhalt hat am 7. Dezember 1998 in einem Grundsatzpapier die Landesregierung aufgefordert, mit den kommunalen Spitzenverbänden gemeinsam ein Leitbild für die künftige Organisation staatlicher und kommunaler Aufgaben zu definieren. Dabei hat dieser Spitzenverband ausdrücklich eine Neuorganisation der Gemeindeebene für erforderlich erachtet.

Damit folgt der Landkreistag der richtigen Erkenntnis, dass die Zersplitterung der gemeindlichen Ebene in kleine und kleinste Einheiten angesichts der an sie gestellten Anforderungen eine Schwächung ihrer selbst bedeutet. Wer für eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung ist, muss größere Einheiten für die Kommunen fordern.

Der Zusammenschluss in Verwaltungsgemeinschaften funktioniert eigentlich nur dann wirklich gut, wenn sich die Mitgliedsgemeinden wie eine Einheitsgemeinde verhalten. Das haben auch die hierzu durchgeführten Anhörungen gezeigt.

Der Erkenntnis übrigens, dass größere Einheiten der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung dienen, hat sich das Landesverfassungsgericht in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren der Gemeinde Rodleben ausdrücklich angeschlossen.

Anrede,

ich will über die vorgetragenen grundsätzlichen Erwägungen hinaus im einzelnen nicht weiter auf das Leitbild zur Verwaltungs- und Kommunalreform eingehen. Es liegt seit einem Monat vor und soll, das ist mein Wunsch, gründlich und breit auf allen Ebenen diskutiert werden, damit die Reform letztlich von einer breiten Basis im Lande getragen wird.

Zu den zeitlichen Vorstellungen lassen Sie mich auf die im Anhang zum Leitbild dargestellte Abfolge verweisen. Wegen einiger Eckpunkte sind wir zu einer gewissen Schrittfolge gezwungen, wenn wir in absehbarer Zeit zu Ergebnissen kommen wollen. Ich erwähnte bereits die im nächsten Jahr anstehenden Landrats- und Bürgermeisterwahlen.

Ich möchte dem Eindruck, dass die Reform quasi im Galopp durchgepeitscht werden sollte, mit Nachdruck entgegentreten. Das Leitbild ist ein Diskussionspapier. Lassen Sie uns gemeinsam mit allen Betroffenen konstruktiv darüber diskutieren.

 

 

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