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Pressemitteilungen der Ministerien

Redebeitrag von Innenminister Dr. Püchel:
Sofortige Entschädigung für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter

12.11.1999, Magdeburg – 145

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 145/99

 

Magdeburg, den 12. November 1999

 

 

Redebeitrag von Innenminister Dr. Püchel:

Sofortige Entschädigung für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter

 

(Antrag der Fraktion der PDS)

TOP 22 der Landtagssitzung am 11./12. November 1999

Es ist eine Schande für eine Reihe deutscher Unternehmen, dass sich ein Landtag 54 Jahre nach Kriegsende mit der Forderung nach einer Entschädigung für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter auseinandersetzen muss.

Es kann nicht sein, dass heute noch Opfergruppen darum kämpfen müssen, für die erlittenen Leiden Entschädigung zu erhalten. Zu diesen Opfergruppen gehören auch die Zwangsarbeiter. Also Menschen, die während des Krieges in den von Deutschland besetzten Ländern zunächst angeworben und später zwangsrekrutiert wurden.

Ohne oder mit nur minimaler Vergütung zwang man sie, hauptsächlich in der Industrie in Deutschland oder in den Zulieferungsbetrieben in ihrer Heimat zu arbeiten.

Vor allem Zwangsarbeiter aus Osteuropa hatten Schreckliches zu erdulden. Sie wurden in bewachten Lagern untergebracht und waren bei Verstoß gegen die strengen Lebensführungsregeln härtester Bestrafung ausgesetzt. Viele von ihnen leiden noch heute unter psychischen und physischen Folgeschäden und leben am Rand des Existenzminimums.

Diese Zwangsarbeit blieb bis heute weitgehend ohne Entschädigung. Tatsache ist, dass die Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erhebliche Wiedergutmachungsleistungen für die Opfer des NS-Regimes erbracht hat - ganz im Gegensatz zur DDR, die sich ungeachtet ihrer antifaschistischen Rhetorik finanziell nicht in der Verantwortung sah.

U. a. wurden 1992/93 mit deutscher Hilfe in Höhe von 1,5 Milliarden DM Stiftungen in Warschau, Moskau, Minsk und Kiew eingerichtet. Bestimmt waren diese Mittel für NS-Verfolgte in Polen und den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion.

Nach Angaben der Stiftungsverwaltungen sind die Mittel in Form von Einmalleistungen an über 1,5 Millionen Berechtigte verteilt worden. Der weitaus überwiegende Teil der Mittel dürfte ehemaligen Zwangsarbeitern zugute gekommen sein.

Denn die Satzungen der insoweit autonomen Stiftungen haben nicht nur NS-Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetztes als Berechtigte anerkannt, sondern auch verschiedene Kategorien von Zwangsarbeitern.

Von den über 100 Milliarden DM deutscher staatlicher Wiedergutmachungsleistungen erhielten die ehemaligen Zwangsarbeiter allerdings nur sehr wenig. Dies liegt daran, dass die deutschen Entschädigungsgesetze zwar Schäden im sogenannten "Umfeld" der Zwangsarbeit erfassten, wie z. B. Schäden an Freiheit, Körper, Gesundheit, Eigentum und Vermögen, jedoch nicht die Zwangsarbeit als solche.

Für die heute noch lebenden Betroffenen ist dies eine entwürdigende Situation. Ich bin deshalb sehr froh, dass Bundeskanzler Schröder dieses Thema nach Amtsantritt zur Chefsache gemacht und vor allem die deutsche Wirtschaft auf ihre Verantwortung hingewiesen hat.

Wie Sie wissen, hat sich am 16. Februar eine Reihe deutscher Unternehmen zu einer Stiftungsinitiative deutscher Unternehmen "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" zusammengeschlossen.

Diese Unternehmen erkennen damit ihre moralische Verantwortung an, weil sie mit ihren wirtschaftlichen Aktivitäten, insbesondere im Rahmen der Kriegswirtschaft, in das NS-Regime eingebunden waren. Diese Initiative versteht sich selbst als unmittelbare gesellschaftliche Ergänzung zur staatlichen Wiedergutmachungspolitik.

Mit der Stiftungsinitiative verfolgt die deutsche Wirtschaft auch das Ziel, den anhängigen Klagen ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in adäquater Form zu begegnen. Sie soll Rechtssicherheit und Rechtsfrieden für alle Beteiligten schaffen und dazu beitragen, den Ruf und das Ansehen unseres Landes und der deutschen Wirtschaft zu schützen.

Die betroffenen Unternehmen sind im Zusammenhang mit den in den USA anhängigen Sammelklagen auch Androhungen von Boykottaufrufen seitens verschiedener Organisationen ausgesetzt. Dem soll zum Ende dieses Jahrhunderts durch ein abschließendes humanitäres und materielles Zeichen einer fairen, kooperativen und vor allem schnellen Hilfe die Grundlage entzogen werden.

Für diesen Zweck wurden 6 Milliarden DM angekündigt. 4 Milliarden DM kommen von der Privatwirtschaft, 2 Milliarden DM will die Bundesregierung zur Verfügung stellen, wobei eine Erhöhung dieser Beträge in der Diskussion ist.

Unter der Leitung des Sonderbeauftragten des Bundeskanzlers (jetzt Graf Lambsdorff) wurden bereits zahlreiche Gespräche mit der amerikanischen Regierung und Interessenvertretern geführt, ohne dass bisher ein greifbares Ergebnis sichtbar geworden wäre.

Ich teile die in der öffentlichkeit vorhandene Empörung über diesen zähflüssigen Prozess, der im Hinblick auf die überlebenden Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen sowie ihrer Angehörigen beschämend wirkt. Nicht nur beschämend wirkt, sondern auch beschämend ist.

Ich verkenne dabei aber nicht, dass Bundesregierung, Unternehmen und US-Regierung vor äußerst komplizierten Fragen stehen. Grund dafür ist nicht nur die Schwierigkeit, für das menschliche Leid der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter gerechte Lösungen herbeizuführen. Falls man in diesem Zusammenhang überhaupt von Gerechtigkeit sprechen kann.

Die Komplexität hängt auch mit den unterschiedlichen Interessen der beteiligten Gesprächspartner zusammen ¿ Opferorganisationen, Klägeranwälte, Regierungen. Die von Klägeranwälten bisher verbreiteten immensen finanziellen Forderungen sieht die Bundesregierung in übereinstimmung mit der US-Regierung als völlig unrealistisch an.

Ferner muss für die entscheidende Frage der Rechtssicherheit in den USA, das heißt die Beendigung der laufenden Sammelklagen und Ausschluss neuer Klagen, eine für alle Seiten akzeptable Lösung gefunden werden. Gerade um diese Frage bemüht sich auch der US-Vize-Finanzminister Eizenstat persönlich sehr intensiv.

Die Bundesregierung räumt dem Thema - ich sagte es schon - hohe Priorität ein. Eine eigene Initiative der Landesregierung dürfte die ohnehin schwierigen Verhandlungen eher behindern als befördern. Zumal hier auch außenpolitische Aspekte zu berücksichtigen sind, die nicht im Kompetenzbereich einer Landesregierung liegen.

Gleichwohl bin ich der Auffassung, dass vor allem auch wegen des hohen Alters der Betroffenen alles getan werden muss, damit die Gespräche schnellstmöglich zu einem guten Abschluss gebracht werden. Ich bin zuversichtlich, dass die Bundesregierung ihre ganze Autorität für dieses Ziel einsetzen wird.

 

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