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Pressemitteilungen der Justiz

Steinaufschüttungen im Uferbereich der Saale in Halle (Saale) vorläufig gestoppt

12.07.2022, Magdeburg – 9/2022

  • Oberverwaltungsgericht

Mit zwei Beschlüssen vom 11. Juli 2022 hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts die Stadt Halle (Saale) im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, die weitere Durchführung von Maßnahmen in Form von Steinschüttungen an der Saale zu unterlassen, bis die Prüfung der Verträglichkeit des Projekts „Fluthilfemaßnahme Nr. 198 Uferbefestigung der Saale, Anteil Böschungsbefestigung“ mit den Natura 2000-Gebieten „Nordspitze der Peißnitz und Forstwerder in Halle“, „Saale-, Elster-, Luppe-Aue zwischen Merseburg und Halle“ und „Saale-Elster-Aue Südlich Halle“ abgeschlossen ist.

Antragsteller in beiden Verfahren sind vom Land Sachsen-Anhalt anerkannte Naturschutz- und Umweltvereinigungen. Sie wenden sich gegen Uferbefestigungen in Form von Steinschüttungen sowie den Rückschnitt von Aufwuchs in mehreren Bereichen des Ufers der Saale im Stadtgebiet von Halle (Saale) durch ein von der Stadt Halle (Saale) beauftragtes Unternehmen. Die Grundstücke, auf denen die Schüttungen erfolgen, zählen teilweise zum Grundbesitz der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Die Antragsteller gehen im Kern davon aus, dass es sich aufgrund des Umfangs der Schüttungen und ihrer sicher zu erwartenden erheblichen Auswirkungen auf zwei FFH-Gebiete und ein Vogelschutzgebiet, die zum Natura 2000-Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt gehören, um Maßnahmen des Gewässerausbaus handele, für die ein Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen sei. An diesem Verfahren seien die Antragsteller zu beteiligen. Da dies nicht erfolgt sei, die Stadt Halle (Saale) als Antragsgegnerin vielmehr weder eine Natura 2000-Verträglichkeitsprüfung noch ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt, sondern die Steinschüttungen als nicht genehmigungspflichtige Unterhaltungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahme angesehen und teilweise bereits ins Werk gesetzt habe, seien die Antragsteller in ihren Mitwirkungsrechten verletzt und hätten einen Anspruch darauf, dass diese nicht durch die Fortsetzung der Maßnahmen und die Zerstörung der Uferbereiche endgültig vereitelt würden. 

Mit Beschlüssen vom 15. März 2022 hatte das Verwaltungsgericht Halle die Unterlassung der weiteren Steinaufschüttungen zunächst auf bestimmte Bauabschnitte begrenzt und die Anträge im Übrigen abgelehnt. Auf die Beschwerden der Antragsteller hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt über die vom Verwaltungsgericht bereits untersagten Steinschüttungen hinaus auch die übrigen, noch nicht ins Werk gesetzten Steinschüttungen an den Ufern der Saale im Stadtgebiet von Halle (Saale) untersagt, bis eine Verträglichkeitsprüfung der Maßnahmen gemäß § 34 Abs. 1 BNatSchG abgeschlossen wurde. Zur Begründung hat der 2. Senat ausgeführt, die Antragsteller hätten mit Erfolg geltend gemacht, dass die „Fluthilfemaßnahme Nr. 198 Uferbefestigung der Saale, Anteil Böschungsbefestigung“ der Antragsgegnerin als Ganzes ein Projekt darstellt, das einer Natura 2000-Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist, bei der den Antragstellern Beteiligungsrechte an einer möglichen Abweichungsentscheidung gemäß § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG zustehen. Diese Beteiligungsrechte könnten vereitelt werden, wenn die Antragsgegnerin mit den Schüttungen fortfahren würde. Danach war den Antragstellern ein vorläufiger Unterlassungsanspruch hinsichtlich der gesamten Maßnahme zuzusprechen.

Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind rechtskräftig.

OVG Sachsen-Anhalt, Beschlüsse vom 11. Juli 2022 – 2 M 35/22, 2 M 36/22
VG Halle, Beschlüsse vom 15. März 2022 – 4 B 516/22 HAL, 4 B 526/22 HAL

 

§ 34 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) lautet (auszugsweise):
(1) Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.
(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.
(3) Abweichend von Absatz 2 darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es

  1. aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und
  2. zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

(4) Können von dem Projekt im Gebiet vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden, können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden. Sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 können nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.
(5) Soll ein Projekt nach Absatz 3, auch in Verbindung mit Absatz 4, zugelassen oder durchgeführt werden, sind die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die zuständige Behörde unterrichtet die Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über die getroffenen Maßnahmen.
(6) [...]

 

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