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Aktuelle Pressemitteilungen - Sachsen-Anhalt

Eingangsstatement von Innenminister Dr. Manfred Püchel anlässlich der Tagung "Jugend - Gewalt - Extremismus" - Möglichkeiten, Grenzen und Erfolge politischer Bildung

13.11.2000, Magdeburg – 149

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 149/00

 

Magdeburg, den 13. November 2000

 

 

Eingangsstatement von Innenminister Dr. Manfred Püchel anlässlich der Tagung "Jugend - Gewalt - Extremismus" - Möglichkeiten, Grenzen und Erfolge politischer Bildung

 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Anrede,

ich freue mich, Sie zu dieser Tagung hier in Magdeburg begrüßen zu können. Und ich danke der Bundeszentrale sowie der Landeszentrale für politische Bildung für die Durchführung dieser Veranstaltung. Vor allem freue ich mich, dass es Ihnen gelungen ist, sehr kompetente Referenten zu gewinnen.

 

Ihre Tagung ist überschrieben mit Jugend - Gewalt ¿ Extremismus. In dieser Form vereinfachen diese drei Worte eine Problematik, wie es von den Veranstaltern nicht gedacht war. Denn es gibt glücklicherweise diese Kausalkette von Jugend über Gewalt zu Extremismus nicht.

 

Man würde auch der überwiegenden Zahl unserer Jugendlichen Unrecht tun, wenn man sie mit Gewalt und Extremismus in Zusammenhang bringen würde. Tatsache ist aber auch, dass wir in unserer Gesellschaft ein besorgniserregendes Problem mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit haben, von dem auch Teile unserer Jugend betroffen sind. Hiermit müssen wir uns auseinandersetzen. Hier müssen wir Lösungsansätze finden und aufzeigen.

 

Wenn es um Gewalt gegen Fremde, Minderheiten oder Andersdenkende geht, dann sind es fast immer Jugendliche, die diese Gewaltstraftaten begehen. Diese Jugendlichen haben Elternhäuser. Sie haben ein Umfeld. Sie haben Lehrer, Arbeitskollegen, Nachbarn, Freunde und Bekannte. Sie sind Teil der Gesellschaft.

 

Anrede,

in der vorigen Woche beschlossen Bundesregierung und Bundesrat, einen Antrag zum Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht zu stellen.

 

Wenn ich die Artikel und Kommentare der letzten Wochen zu diesem Thema las, hatte ich manchmal den Eindruck, dass man uns Innenministern unterstellte, wir würden im NPD-Verbot das Allheilmittel zur Bekämpfung des Rechtsextremismus sehen. Dies ist natürlich nicht der Fall. Ein Verbot ist nur ein Baustein, nicht mehr und nicht weniger. Gefordert ist die gesamte Gesellschaft. Und dass dieses auch so erkannt wurde, bewiesen die 200.000 Demonstrierenden in Berlin oder die 500 von Burg am Wochenende. Dies war für mich der vom Bundeskanzler eingeforderte Aufstand der Anständigen.

 

Und wenn ich vom NPD-Verbotsantrag als einem Baustein sprach, ist für mich die politische Bildung ein weiterer, sogar noch größerer. In Ihrer Einladung sprechen Sie von Möglichkeiten, Grenzen und Erfolge politischer Bildung. Mir fehlt noch das Wort Notwendigkeit. Denn ich halte politische Bildung für unbedingt notwendig.

 

Spätestens seit dem Einzug der rechtsextremistischen DVU in den Landtag musste die Frage der politischen Bildung neu gestellt werden. Musste hinterfragt werden, wie es gerade in Ostdeutschland um die politische Bildung bestellt ist. Denn nur drei Wochen Plakatierung von vier Parolen hatten ausgereicht, um 12,9 % der Wähler dazu zu bringen, ein Phantom zu wählen.

 

Zur politischen Bildung gehört für mich nicht nur die Auseinandersetzung mit einem Thema. Es beginnt bereits mit der Vermittlung von Fakten, von Informationen. Diskussionen mit Jugendlichen zeigen immer wieder, dass gerade Vorurteile mit Schuld sind an Fremdenfeindlichkeit. Vorurteile, die auch durch Nichtwissen entstehen oder durch falsche Informationen. Seit Jahren suche ich das Gespräch vor allem auch mit jungen Menschen und bin nicht selten erstaunt, was ich da zu hören bekomme. Schüler einer 10. Klasse fragte ich vor einiger Zeit nach dem Ausländeranteil in Sachsen-Anhalt. Antwort: 50 %. Diese Antwort muss ich, glaube ich, nicht weiter kommentieren.

 

ähnlich wirr geht es zu, wenn es um Ausländerkriminalität geht oder darum, was uns Ausländer kosten. Diese Vorurteile beschränken sich jedoch nicht auf Jugendliche, sondern betreffen genauso die Erwachsenen. Man kann sich so richtig vorstellen, wie an manchen Abendbrottischen diskutiert wird. Wenn denn überhaupt noch gemeinsam Abendbrot gegessen oder miteinander gesprochen wird.

 

Wenn rechte Gewalttäter nach den Ursachen für ihre Gewalttätigkeit gefragt werden, kommt häufig das Wort Hass. Hass, der mit begründet ist in Unsicherheit und Vorurteilen. In diesem Zusammenhang muss ich unsere Zeitungen loben, die in den letzten Wochen mit vielen Beiträgen versucht haben, Vorurteile abzubauen.

 

Anrede,

Gewalt und Kriminalität sind Phänomene, die es zu jeder Zeit gegeben hat. Es gibt Menschen, denen es nicht gelingt - oder nicht gelungen ist, Aggression sinnvoll einzusetzen. Und es gibt immer Situationen, die diese Unfähigkeiten verstärken oder provozieren. Die öffentliche Diskussion allerdings hat sich verändert. Manchmal stelle ich mir die Frage, ob sie nicht hektischer und hilfloser geworden ist.

 

Woran liegt das?

Eine Erklärung dürfte darin zu sehen sein, dass Fälle spektakulärer Kriminalität für die Medien immer eine Schlagzeile, eine Sendezeit wert sind, dass diese Fälle im ganzen Land wahrgenommen werden. Dass jeder Mann und jede Frau an der Tat und der sie begleitenden Angst "teilhaben" kann. Dadurch werden Taten und die entsprechenden ängste vervielfältigt.

 

Hinzu kommen die auffälligen Indizien sozialer Veränderungen und angeblicher sozialer Unordnung: Jugendkulturen, wie z.B. die Punks oder die Skinheads, die sich auf öffentlichen Strassen und Plätzen aufhalten. Haben wir eigentlich gelernt, damit richtig umzugehen? Haben wir eigentlich die richtigen Antworten darauf gefunden? Was uns besonders betroffen macht, betroffen machen muss, ist die zunehmende fremdenfeindliche Gewalt.

 

Das Phänomen Rechtsextremismus gibt es unter Jugendlichen und Erwachsenen in den neuen Bundesländern aber nicht erst seit der Wende. Schon in den 80er Jahren gab es eine rassistische Alltagskultur gegen mocambiquanische und vietnamesische Vertragsarbeiter. Die Gründe für rechtsextreme Gedanken haben sich seit der Wende gewandelt. Die Erscheinungsformen sind geblieben. Man könnte allein über diese Problematik eine abendfüllende Veranstaltung durchführen.

 

Anrede,

von den Veranstaltern war ich gebeten worden, als Einstieg in die heutige Veranstaltung einen kurzen überblick zur Situation in Sachsen-Anhalt zu geben.

 

Die Erscheinungsform des Rechtsextremismus hat sich in den letzten Jahren in Sachsen-Anhalt verändert. Dies betrifft jedoch nicht nur unser Land allein. Nach den Verboten von rechtsextremistischen Organisationen Mitte der 90er Jahre, insbesondere der FAP, fand im Bereich des Rechtsextremismus ein Umdenken statt.

 

Führende Personen der Neonazi-Szene entwickelten das Konzept von kleinen, vernetzten Einheiten, von Partei- und Vereinsunäbhängigen Kameradschaften und Gruppierungen. Damit sollte der staatliche Zugriff, z.B. über das Vereinsrecht, erschwert werden. Die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien haben dieses Konzept in den letzten Jahren erheblich begünstigt.

 

Dem rechtsextremistischen Bereich sind in Sachsen-Anhalt derzeit 15 sogenannte "autonome Kameradschaften", im engeren Umfeld mit insgesamt ca. 200 ¿ 240 Angehörigen und 11 sonstige rechtsextremistische Gruppierungen, im engeren Umfeld mit ca. 100 ¿ 120 Angehörigen, zuzuordnen. Sie sind über das ganze Land verteilt und stehen überwiegend untereinander in Verbindung. Polizeilich liegen Erkenntnisse vor, die auf eine ideologische Verknüpfung mit der NPD hinweisen. Einige Führungspersonen der Kameradschaften sind NPD ¿ Mitglieder. Einzelne Kameradschaften haben an Schulungsveranstaltungen, organisiert von Hupka, im Blankenburger Schulungsobjekt Stuckenbreite, teilgenommen. In der Regel wird in diesen Veranstaltungen die rassistische Ideologie propagiert.

 

Diese in den letzten Jahren gewachsene Verbindung von NPD und Kameradschaften ist übrigens ein wichtiger Grund, warum die Gefährlichkeit der NPD eine neue Qualität erreicht hat und ein Verbotsantrag deshalb geboten ist.

 

Das Mobilisierungspotenzial der Kameradschaften und Gruppierungen dürfte in Sachsen-Anhalt nach polizeilichen Schätzungen bei ca. 400 - 500 Personen liegen. Bei Anreise von auswärtigen Teilnehmern ist je nach Mobilisierung ein Anwachsen auf bis zu 800 ¿ 1000 Personen realistisch. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die beiden NPD-Kundgebungen im letzten Jahr in Magdeburg. Auf dieser Ebene werden auch die Verbindungen zur gewaltbereiten rechtsradikalen Skinheadszene hergestellt und gepflegt.

 

Trotz wachsender Gewaltbereitschaft in der rechten Szene sind in Sachsen-Anhalt und dem Bundesgebiet bisher keine terroristischen Strukturen bekannt geworden. Seit Jahren gibt es jedoch Hinweise auf Waffen und Sprengstoffe in der rechtsextremistischen Szene. Es fehlte bisher jedoch die Absicht, diese gezielt zu Anschlägen einzusetzen. Seit einiger Zeit wird jedoch vermehrt in der "Rechten Szene" darüber diskutiert.

 

Anrede,

die Entwicklung der rechtsextremistisch motivierten Straftaten, einschließlich der fremdenfeindlich und antisemitisch motivierten Straftaten, ist in Sachsen-Anhalt seit 1997 rückläufig. So wurden 1997 1108 Delikte registriert. 1999 waren es rund 300 weniger. Dies bedeutet einen Rückgang um gut 25 %. Um noch etwas aktueller zu sein, können wir auch die Halbjahreszahlen 2000 mit denen der 1. Halbjahre 1998 und 1999 vergleichen. Sie zeigen, dass sich der positive Trend auch bis in dieses Jahr fortsetzt.

 

ähnlich verhält es sich bei einem Vergleich der Gewaltstraftaten für die 1. Halbjahre 1998 ¿ 2000: Mit 24 Delikten bzw. 51,1 % weniger wird deutlich, dass eingeleitete polizeiliche Maßnahmen Wirkung zeigen. Gerade in diesem Bereich dürfte dies auf die verbesserte Ausbildung der Beamten, den zunehmenden Strafverfolgungsdruck und die erhöhte polizeiliche Präsenz zurückzuführen sein. Dies spiegelt sich auch in der hohen Aufklärungsquote wieder, die 1999 bei über 85 % lag.

 

Dieser Rückgang ist erfreulich, aber kein Grund zum Nachlassen, denn die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten befindet sich immer noch auf einem zu hohem Niveau. Außerdem muss man sich nur die Meldungen ansehen, die uns täglich aus allen Teilen der Bundesrepublik erreichen, dann erkennt man, wie virulent dieses Thema weiterhin ist.

 

Sorge bereitet mir dabei besonders der prozentual hohe Anteil der Jungtatverdächtigen bis 20 Jahre, der weiter zugenommen hat und im 1. Halbjahr 2000 71 % ausmachte. Gerade dies sind die Altersgruppen, die für aufstachelnde rhythmische Skinheadmusik und gruppendynamische Prozesse zugänglich sind. Besonders dann, wenn andere soziale Bindungen fehlen. Hier ist das Rekrutierungspotential der "Rechten Szene" zu finden.

 

Weil wir gerade auch in der rechtsextremen Skinheadmusikszene eine große Gefahr für unsere Jugend sehen, habe ich einen in einem besonderen Erlass einen Katalog von Maßnahmen festgelegt, der solche Konzerte verhindern soll. Mit Erfolg. Fanden im letzten Jahr in Sachsen-Anhalt noch mindestens 11 solcher Konzerte statt, konnten in diesem Jahr bisher alle verhindert werden.

 

Mit Konsequenz wird auch gegen Tonvertriebe vorgegangen, die fremdenfeindliche und rechtsextremistische Tonträger vertreiben. Bei der letzten großen Aktion konnten wir 6.300 CDs und 30.000 Hüllen beschlagnahmen, neben diversen anderen verbotenen Gegenständen. Insgesamt konnten wir seit 1998 insgesamt 15.000 verbotene CDs aus dem Verkehr ziehen.

 

Anrede,

so betroffen uns die Zahlen zu rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Straftaten auch machen, so dürfen wir nicht vergessen, dass die große Mehrheit der Bevölkerung fremdenfeindliche und rechtsextremistische Handlungsweisen und Straftaten verachtet und dies auch öffentlich bekundet. An dieser Stelle möchte ich nicht nur auf die zahlreichen bundesweiten Demonstrationen gegen Fremdenfeindlichkeit der letzten Wochen hinweisen. Sondern auch auf solch mutiges Handeln wie auf dem Bahnhof von Burg, wo am 7. September drei Bürgerinnen couragiert eingriffen als drei rechtsgerichtete Jugendliche tätlich gegen ausländische Bürger vorgingen. Durch das beherzte Auftreten der Frauen konnte Schlimmeres verhindert werden. Leider können wir so ein beherztes Eingreifen viel seltener konstatieren als das Wegschauen bei übergriffen. Wichtig ist aber auch zu wissen, dass es sich bei vielen jugendlichen Straftätern um "Phasenkriminalität" handelt. D.h. aus ihnen werden weit überwiegend rechtstreue Erwachsene. Hier müssen wir ansetzen, um den Jugendlichen zu helfen, um ihnen Orientierung zu geben, sie nicht aufzugeben.

 

Anrede,

Gewalttätigkeit kann auch bei Jugendlichen nicht als angeborene Eigenschaft bezeichnet werden. Sie ist auch hier Ergebnis der Auseinandersetzung des Menschen mit den Bedingungen und Situationen der gesellschaftlichen Umwelt. Sie ist Ausdruck sozialer und interaktiver Prozesse. Gewaltbereitschaft ist auch das Ergebnis sozialen Lernens.

 

Dieses soziale Lernen findet in der Familie als dem Ort, an dem die erste und häufigste Erfahrung mit Gewalt gemacht wird, in der Schule, die von Lehrern und Schülern zunehmend als Ort der Gewalt erfahren wird und im Wohnumfeld, das nicht immer Möglichkeiten einer sinnvollen Freizeitgestaltung bietet, statt.

 

Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Zitat von Platon (427 v. Chr.) erwähnen:

"Wenn Väter ihre Kinder gewähren lassen und sich vor ihnen geradezu fürchten, wenn Söhne ohne Erfahrung handeln wollen wie die Väter, sich nichts sagen lassen, um selbstständig zu erscheinen,wenn Lehrer, statt ihre Schüler mit sicherer Hand auf den richtigen Weg zu führen, sich vor ihnen fürchten und staunen, dass ihre Schüler sie verachten, wenn sich die Unerfahrenen den älteren Erfahreneren gleichstellen und in Wort und Tat gegen sie auftreten, die Alten sich aber unter die Jungen setzen und versuchen, sich ihnen gefällig zu machen, in dem sie Ungehörigkeiten übersehen oder gar daran teilnehmen, damit sie nicht als vergreist oder autoritätsgierig erscheinen, wenn auf diese Weise verführte Jugend aufsässig wird, sofern man ihr auch nur den mindesten Zwang auferlegen will, weil niemand sie lehrte, die Gesetze zu achten, ohne die keine Gemeinschaft leben kann, dann ist Vorsicht geboten, der Weg droht in die Tyrannei zu führen."

 

Aus diesen Gedanken lässt sich ohne weiteres auch für die heutige Situation ein ganz konkreter Auftrag ableiten - ohne, dass wir die Fortschritte in der Pädagogik in den letzten 2400 Jahren vergessen müssen - : Wir Erwachsenen sind aufgerufen, einen selbstbewussten Beitrag für eine effektive Kriminalprävention zu leisten. Ziel muss es sein, ein Lebensumfeld für Kinder zu gewährleisten, bzw. zu schaffen, das Kinder in ihrer Entwicklung fördert und sie allmählich in eine Erwachsenenwelt hineinwachsen lässt, in der es sich lohnt, selbst mitgestaltende Verantwortung zu übernehmen. In diesem Sinne sollten wir Vorbilder sein.

 

Die Arbeit an der Jugend ist Teil des "Generationenvertrages" und der ist von uns allen zu erfüllen. Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.

 

Anrede,

dieser Aufgabe stellt sich die Landesregierung in vielfältiger Weise. So verabschiedete sie z.B. vor einem Jahr das Handlungskonzept für ein demokratisches und weltoffenes Sachsen-Anhalt. Mit diesem Konzept verfolgen wir das Ziel, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen und an ihrer Stelle für Demokratie und ein friedliches Miteinander zu werben.

 

An der gesellschaftlichen Bewältigung der Problematik Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit müssen viele Verantwortungsträger mitwirken, selbstverständlich auch die Polizei. Ich kann hier nur ausschnittsweise auf die Aktivitäten der Polizei in diesem Zusammenhang eingehen. Nach den Himmelfahrtsausschreitungen von 1994 habe ich die Bildung einer speziellen Koordinierungs- und Ermittlungsgruppe gegen Rechts, abgekürzt KEG Rechts, veranlasst. Diese spezielle Ermittlungsgruppe kann mittlerweile auf erfolgreiche sechs Jahre zurückblicken. Die hohe Aufklärungsrate bei rechtsextremistischen Straftaten ist in erster Linie mit ihrem Wirken zu verdanken.

 

Ich erinnere weiter an die Einsetzung von Ausländerbeauftragten in der Polizei. Sie haben vorrangig die Aufgabe, das Vertrauen der ausländischen Mitbürger in die Tätigkeit der Polizei herauszubilden und zu fördern. Die Polizei will die Eingliederung ausländischer Bürger in die Gemeinschaft mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten unterstützen und Vorurteile abbauen.

 

Weit über den Rahmen der herkömmlichen Polizeiarbeit hinaus gehen die Initiativen der Mitarbeiter der Polizeidirektion Magdeburg. Das Fest der Begegnung, erstmals am Himmelfahrtstag 1996 initiiert, ist heute bereits zur Tradition geworden und findet breites Interesse sowohl bei ausländischen Bürgern, als auch bei deutschen Mitbürgern. In diesem Jahr nahmen allein 5000 Menschen daran teil.

 

Um Tendenzen von Fremdenfeindlichkeit in der Polizei zu verhindern, werden an der Fachhochschule der Polizei im Ausbildungsprogramm des mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienstes immer wieder besondere Seminare angeboten, die speziell auf die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ausgerichtet sind.

 

Bereits seit 1993 gibt es in der Polizei Sachsen-Anhalts Jugendkommissariate mit sozialpädagogischen Jugendberatungsstellen. Zuerst nur in Magdeburg, später in Halle (1994) und in Dessau (1995) als Modellprojekte eingerichtet, erfolgte seit 1998 die landesweite Umsetzung. Mithin werden zukünftig 58 Sozialarbeiterinnen bzw. Sozialarbeiter in der Polizei tätig sein.

 

Dieses Konzept verbindet Polizei- und Sozialarbeit, um Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, ein zeitnahes Hilfsangebot zu unterbreiten. Schwierigkeiten, Probleme und Belastungssituationen, die im Zusammenhang mit der Straftat stehen, sollen erkannt und bereits bestehende Krisensituationen durch Vermittlung professioneller Hilfe reduziert bzw. überwunden werden.

 

Darüber hinaus soll den Betroffenen geholfen werden, Einsicht in ihre Tat zu entwickeln und die Folgen ihrer Straftat zu reflektieren. Langfristiges Ziel ist es, der Verfestigung von Delinquenz entgegenzuwirken, sowie sich an der Präventionsarbeit vor Ort in Abstimmung mit anderen Einrichtungen und Diensten zu beteiligen.

 

Diese Organisationsstruktur hat sich nicht nur bewährt, sondern zwischenzeitlich auch ein gehöriges Maß an Anerkennung außerhalb Sachsen-Anhalts gefunden.Nahezu 90 % der durch die Polizei ermittelten Jungtatverdächtigen nehmen das Angebot der Jugendberatungsstellen an.

 

Nach Erfahrungen in den Jugendberatungsstellen ist die Rückfallquote bei diesem Personenkreis deutlich geringer. Sie liegt bei nur rund 5 %. Jugendliche Tatverdächtige, die nicht durch die Jugendberatungsstellen betreut wurden, wiesen dagegen eine Rückfallquote von fast 30 % auf.

 

Anrede,

neben repressiven Maßnahmen leistet die Polizei insbesondere auch durch präventive Aktionen einen wesentlichen Anteil zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Einige beispielhafte Projekte möchte ich nachfolgend nennen.

 

Ich erinnere an die Malheftserie des Landeskriminalamtes: Bei dieser Serie handelt es sich um eine Eigenentwicklung des LKA Sachsen-Anhalt. Das Hauptanliegen dieser Hefte ist es, Kindern im Alter von 4 - 12 Jahren kriminalpräventive Themen in kindgerechter Form nahe zu bringen und aufklärend zu wirken.

Das Heft Nr. 14 "Pinguine - die etwas anderen Vögel" wurde 1999 veröffentlicht. Es greift das Thema Fremdenfeindlichkeit auf und beinhaltet das Erfordernis des toleranten Umgangs mit anderen Personen.

Das Heft Nr. 19, zum Zeugen- und Helferverhalten, ist im Herbst diesen Jahres erschienen. Grundschulkindern soll der Gedanke nahegebracht werden, zu helfen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen bzw. als Opfer situationsangepasst zu reagieren. Es kann als Ergänzung zum Thema Fremdenfeindlichkeit und Umgang mit Gewalt herangezogen werden.

 

In Fortführung der Maßnahmen zur polizeilichen Kinder- und Jugendprävention wurde 1999 mit der Herausgabe einer Info-Reihe begonnen, die besonders für die Altersklasse ab 12 bis 15 Jahre konzipiert ist. Das Heft Nr. 1 "Christian & Co." befasst sich auch mit dem Thema Fremdenfeindlichkeit. Die Broschüre soll jungen Menschen neben der Fragwürdigkeit der Tatmotive die Folgen rechtswidriger Taten im straf- und zivilrechtlichen sowie im persönlichen Bereich darstellen. Sie kann u. a. die Schule bei der Wahrnehmung ihres Erziehungsbeitrages unterstützen. Aufgrund der aktuellen Situation werden im 4. Quartal 2000 weitere 20.000 Exemplare (Erstauflage: 30.000) neu aufgelegt und zur weiteren Verwendung den Polizeibehörden sowie Schulen und interessierten Einrichtungen und Bürgern nach Bestellung zur Verfügung gestellt.

 

Auf das bereits Eingangs erwähnte "Fest der Begegnung" möchte ich nochmals kurz eingehen. Gestaltet wird dieses Fest durch ausländische Mitbürger, Ausländerkreise der Kirchen und Vertreter des Ausländerbeirates der Stadt Magdeburg sowie Bedienstete der PD Magdeburg. Sein Ziel besteht darin, für mehr Toleranz und Verständnis zu werben und Berührungsängste sowie Vorurteile abzubauen.

 

Darüber hinaus wird alljährlich das Fair-Ständnispokal-Turnier durchgeführt, indem sich deutsche und ausländische Jugendliche sportlich fair begegnen sollen. Die erstmals 1998 durchgeführte Aktion "Grüne gehen fremd - Fremde sehen grün" ist zur festen Institution geworden. Hierbei sind Polizeibeamte in ausländischen Familien zu Gast um das Leben in fremden Kulturen kennen zu lernen.

 

Hingewiesen sei auch auf ein Projekt des Polizeisportvereins Halle e.V. in Kooperation mit der Polizeidirektion Halle mit dem Titel "AnGeð

SAGT". Dieser Slogan steht für: Anstatt Gewaltð

Sport, Aktion, Gelassenheit, Teamgeist.

Mit der Aktion "Zivilcourage- ich bin dabei" wird seit dem Jahr 1998 ein Landesvorhaben verwirklicht, das die Bürger zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Thema Zivilcourage, Zeugen-/Helfer-verhalten anregen soll.

Mittels dieser Aktion wird beabsichtigt, die Bevölkerung zur aktiven Hilfeleistung zu motivieren, wenn sich Menschen offensichtlich in Gefahrensituationen befinden. Denn leider ist solch beherztes Eingreifen, wie das der drei Frauen in Burg, noch nichts alltägliches.

 

Anrede,

daneben engagiert sich die Polizei auch in kommunalen Präventionsgremien wie zum Beispiel dem "Kriminalpräventiven Beirat" der Landeshauptstadt Magdeburg, dem Verein "Initiative Sicherer Landkreis Anhalt-Zerbst", aber auch dem gegründeten Landespräventionsrat Sachsen-Anhalt, dessen konstituierende Sitzung am 6. September letzten Jahres stattfand.

 

Das Ziel des Landespräventionsrates besteht in der Förderung und Weiterentwicklung der gesamtgesellschaftlichen Kriminalprävention in Land und Kommunen sowie in der Vernetzung bestehender kriminalpräventiver Gremien.

 

Eine weitere Schwerpunktaufgabe sieht der Landespräventionsrat auch insbesondere darin, örtliche Präventionsgremien, Initiativen und Projekte finanziell zu unterstützen. Einigen Projekten wurde eine solche Unterstützung bereits in diesem Jahr zuteil. Ich kann heute feststellen, dass sich der Landespräventionsrat als Institution in Sachsen-Anhalt etabliert hat und aus der kriminalpräventiven Landschaft unseres Landes nicht mehr wegzudenken ist.

 

Ein erster Höhepunkt in der Arbeit des Landespräventionsrates war der erste Landespräventionstag unter dem Motto "Landespräventionstag 2000 - Gemeinsam gegen Gewalt und Kriminalität". Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Frage der Zurückdrängung der wachsenden Gewaltbereitschaft, denn Gewalt kommt in immer stärkerem Ausmaß in allen Lebensbereichen zum Vorschein.

 

Die Mitglieder des Landespräventionsrates haben sich bei der Festlegung der Arbeitsschwerpunkte für das Jahr 2001 dahingehend geeinigt, u. a. eine Arbeitsgruppe "Rechtsextremismus / Fremdenfeindlichkeit" zu bilden.

 

Anrede,

es würde den Rahmen der Veranstaltung sprengen, würden wir den Anspruch erheben dieses komplexe Thema allumfassend aufzugreifen und zu diskutieren.

Lassen sie mich meinen Vortrag mit Konfuzius zum Abschluss bringen:

 

Der Meister sprach: "Wer sich nicht über seine Zukunft Gedanken macht, der wird sich bestimmt bald über sein heute sorgen müssen." (24. Lunyu 15.12., Kapitel Wei Ling Gong)

 

In diesem Sinne wünsche ich der heutigen Veranstaltung ein gutes Gelingen.

 

 

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