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Aktuelle Pressemitteilungen - Sachsen-Anhalt

Auszüge aus der Eröffnungsrede des Innenstaatssekretärs und Vorsitzenden des Landespräventionsrates Dr. Rainer Holtschneider anlässlich des ersten Landespräventionstages

23.10.2000, Magdeburg – 133

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 133/00

 

 

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 133/00

 

Magdeburg, den 20. Oktober 2000

 

Auszüge aus der Eröffnungsrede des Innenstaatssekretärs und Vorsitzenden des Landespräventionsrates Dr. Rainer Holtschneider anlässlich des ersten Landespräventionstages

"Gemeinsam gegen Gewalt und Kriminalität"

am 19. Oktober 2000 in Magdeburg

Es gilt das gesprochene Wort!

Die Sicherheit vor kriminellen übergriffen, die Gewährleistung des Schutzes von Leben, Gesundheit, Eigentum und anderen Rechten ist ein elementares soziales Grundbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Um die Erfüllung dieser Anforderung zu gewährleisten, ist eine intelligente und pragmatische Politik gefordert, die entschlossenes Vorgehen gegen Kriminalität und gegen deren Ursachen miteinander verbindet. Leider wird Kriminalprävention auch heute noch weitgehend als Aufgabe des Strafgesetzgebers, der Polizei und Justiz, betrachtet. Abschreckende Wirkung erhofft man sich durch schärfere Gesetze, härtere Verurteilungen und mehr Polizei auf der Straße.

Richtig daran ist, dass der Staat durch die dafür geschaffenen Institutionen für Regeln und Normen des Zusammenlebens sorgen und deren Einhaltung auch überwachen und durchsetzen muss. Dies will ich nachdrücklich betonen, damit keine Missverständnisse aufkommen. Aber Strafverfolgung muss mit Augenmaß erfolgen, sie muss der Einzeltat angemessen und verhältnismäßig sein. Dass Polizei und Justiz mit allen gebotenen rechtlichen Möglichkeiten zügig und konsequent gegen Straftäter vorgehen, belegt zuletzt die schnelle Ermittlung sowie die erst vor wenigen Wochen erfolgte Verurteilung der Täter, die für den schrecklichen Mord an Alberto Adriano in Dessau verantwortlich sind.

Falsch ist aber die Erwartung, dass durch noch rigidere Anwendung strafrechtlicher Abschreckungsinstrumente eine kriminalitätsärmere oder gar kriminalitätsfreie Gesellschaft entstehen kann. Das Gegenteil ist durch wissenschaftliche Untersuchungen zu vielfältigen Kriminalitätsformen längst nachgewiesen. Diese Erkenntnis muss uns allgegenwärtig begleiten, um mit Augenmaß zu einer Versachlichung der öffentlichen Diskussion zum Thema Kriminalitätsentwicklung hinzuführen.

Kriminalität sollte nicht nur als individuelles Fehlverhalten gesehen, sondern sie muss in ihren gesellschaftlichen Entstehungs- und Bedingungszusammenhängen begriffen werden. Nur dann haben wir eine wirkliche Chance, ihren Wurzeln den Nährboden zu entziehen. Insofern ist Kriminalität als ein gesamtgesellschaftliches Problem anzusehen und von allen Akteuren auch als ein solches zu begreifen.

Wenn wir erreichen wollen, dass wir alle sicherer und angstfreier leben können, müssen wir, d. h. der Staat, die Gesellschaft und jeder Einzelne von uns, bereit sein, Aktivitäten zur Eindämmung und Bekämpfung der Kriminalität zu wecken und zu fördern. Der Grundgedanke einer gesamtgesellschaftlichen Kriminalitätsvorbeugung stellt insofern einen Schwerpunkt bei der Ausgestaltung der Innenpolitik Sachsen-Anhalts dar.

Bereits 1994 regte das Ministerium des Innern an, "Runde Tische zur Kriminalitätsvorbeugung" auf örtlicher Ebene sowie Polizeibeiräte auf Ebene der Landkreise einzurichten. Deren Zielstellung sollte vordergründig in der Analyse lokaler kriminalitätsfördernder Faktoren, sowie darauf aufbauend, in der Planung und Abstimmung ämter- und institutionsübergreifender Vorbeugungsmaßnahmen bestehen. Zugegebenermaßen haben wir zu jener Zeit, bildlich gesprochen, ein nahezu brachliegendes Feld vorgefunden.Aber auch in diesem Punkt hat sich in Sachsen-Anhalt eine beachtliche Entwicklung vollzogen. Die rd. 30 Projekte, die sich Ihnen am heutigen Tag vorstellen, sind ein Beleg dafür.

Anknüpfend an diese Erfahrungen wurde der Landesregierung vorgeschlagen, einen Landespräventionsrat Sachsen-Anhalt einzurichten. Auf Beschluss der Landesregierung vom 22.06.99 fand vor gut einem Jahr, nämlich am 06. September 1999 die konstituierende Sitzung des Landespräventionsrates Sachsen-Anhalt statt.

Das Ziel des Landespräventionsrates besteht in der Förderung und Weiterentwicklung der gesamtgesellschaftlichen Kriminalprävention in Land und Kommunen, sowie in der Vernetzung bestehender kriminalpräventiver Gremien.

Eine weitere Schwerpunktaufgabe sieht der Landespräventionsrat auch darin, örtliche Präventionsgremien, Initiativen und Projekte finanziell zu unterstützen. Einigen Projekten wurde eine solche Unterstützung bereits in diesem Jahr zuteil. Dass die Landesregierung es in diesem Punkt auch ernst meint und Taten folgen lässt, unterstreichen die für die Projektförderung im Jahr 2001 im Haushaltsplanentwurf vorgesehenen finanziellen Mittel in Höhe von 60.000 DM.

Die gestrige Mitgliederversammlung hat als Schwerpunkte der Tätigkeit im Jahre 2001 u. a. folgende Themen festgelegt:

 

 

Einen Leitfaden zur Unterstützung kommunalpräventiver Räte zu entwickeln.

Unterstützung bei der Umsetzung landesweiter Programme zu leisten, wie z. B. bei Gewalt gegen Frauen, Kinder- und Jugenddelinquenz,

 

 

 

Rechtsextremismus.

 

 

 

Vorbereitung einer Projektdatenbank für alle örtlichen Initiativen.

 

Ich glaube heute sagen zu können, dass sich der Landespräventionsrat als Institution in Sachsen-Anhalt etabliert hat und aus der kriminalpräventiven Landschaft unseres Landes bereits nicht mehr wegzudenken ist.

Höhepunkt in der Arbeit des Landespräventionsrates ist der heute stattfindende erste Landespräventionstag unter dem Motto "Landespräventionstag 2000 - Gemeinsam gegen Gewalt und Kriminalität". Mit dieser öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung soll der Gedanke der Prävention in das gesellschaftliche Umfeld - also in die öffentliche Wahrnehmung - getragen werden.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung wird vor allem die Frage der Zurückdrängung der wachsenden Gewaltbereitschaft stehen, denn Gewalt ist in allen Lebensbereichen anzutreffen.

Es würde jedoch den Rahmen der Veranstaltung sprengen, würden wir den Anspruch erheben wollen, dieses komplexe Thema allumfassend aufzugreifen und zu diskutieren.

Aus diesem Grund haben wir uns mit den Informationsforen

a) Familiäre Gewalt - was tun?

b) Aktuelle justizpolitische Aspekte der Gewaltprävention

c) Schule - ein Ort der Prävention

d) Prävention als kommunales Handlungsfeld

auf einige wesentliche Bereiche beschränkt.

Die jeweils zuständigen Fachminister bzw. ¿ministerinnen der Justiz, für Arbeit und Soziales, Kultus und Inneres werden zusammen mit den Referentinnen und Referenten sowie den Moderatorinnen versuchen, diese vier besonderen Problemfelder intensiv zu beleuchten.

Bei einem Besuch des Marktes der Möglichkeiten haben Sie Gelegenheit, sich über bestehende Projekte zu informieren und Anregungen für Ihre Arbeit zu sammeln. Ich möchte betonen, dass die hier vertretenen 30 Projekte nur eine kleine Auswahl darstellen. Das Angebot im Land ist noch weitaus vielfältiger und zahlreicher.

Anrede,

mit besonderer Betroffenheit stellen wir die zunehmende Gewaltbereitschaft unter Kindern und Jugendlichen fest. Eingeschlossen sind hierbei auch Handlungen rechtsextremistischen, fremdenfeindlichen oder antisemitischen Charakters. Im heutigen Kommunikations- und Medienzeitalter beschädigen derartige Handlungen nicht nur mehr denn je das Image unseres Gemeinwesens, sondern sind Anhaltspunkte für ernste Besorgnis über demokratische Bildungsdefizite in Teilen unserer Bevölkerung. Einige Städte, darunter Magdeburg, Halle und Dessau mussten leidvolle Erfahrungen mit diesem Thema machen . Sich dagegen zu wehren, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit die Stirn zu bieten, ist heute mehr denn je die Verpflichtung der Gesellschaft und auch Bürgerpflicht jedes Einzelnen; die Frage des in Kürze zu erwartenden NPD-Verbotsantrages zeigt, wie ernst die Situation inzwischen geworden ist, aber auch, dass unsere Demokratie sich abwehrbereit zeigt.

Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung bereits vor einem Jahr das "Handlungskonzept für ein demokratisches und weltoffenes Sachsen-Anhalt" verabschiedet. Mit diesem Konzept verfolgen wir das Ziel, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen und für Demokratie, Toleranz und ein friedliches Miteinander zu werben.

Gewalttätigkeit ist keine angeborene Eigenschaft von Personen, sondern Ergebnis der Auseinandersetzung mit den Bedingungen und Situationen der gesellschaftlichen Umwelt, Ausdruck sozialer und interaktiver Prozesse. Gewaltbereitschaft ist also das Ergebnis sozialen "Lernens". Unter anderem in der Familie, als dem Ort, an dem die erste und häufigste Erfahrung mit Gewalt gemacht wird.

Prävention ist immer auch ein kommunales Handlungsfeld. Ein Thema, dem wir uns mit der heutigen Veranstaltung nicht nur im Rahmen eines Informationsforums, sondern des Weiteren durch die zahlreichen Informationsangebote des Marktes der Möglichkeiten zuwenden.

Der Stellenwert von Bildung und Erziehung in Schulen, in denen unsere Kinder die meiste Zeit ihres Tages in der Gemeinschaft mit Gleichaltrigen verbringen, braucht in diesem Zusammenhang, also für das soziale Lernen nicht-gewalttätiger (oder eben doch gewalttätiger) Konfliktlösungsmechanismen nicht besonders hervorgehoben zu werden. Wir haben deshalb diesem Problemfeld ein weiteres Forum gewidmet "Schule ¿ ein Ort der Prävention".

Lassen Sie mich an dieser Stelle zum Thema Bildung und Erziehung einige Sätze des jüdischen Gelehrten Platon (427 v. Chr.) zitieren, die zeigen, dass die Probleme wohl älterer Natur sind:

"Wenn Väter ihre Kinder gewähren lassen und sich vor ihnen geradezu fürchten, wenn Söhne ohne Erfahrung handeln wollen wie die Väter, sich nichts sagen lassen, um selbstständig zu erscheinen, wenn Lehrer, statt ihre Schüler mit sicherer Hand auf den richtigen Weg zu führen, sich vor ihnen fürchten und staunen, dass ihre Schüler sie verachten, wenn sich die Unerfahrenen den älteren Erfahreneren gleichstellen und in Wort und Tat gegen sie auftreten, die Alten sich aber unter die Jungen setzen und versuchen, sich ihnen gefällig zu machen, in dem sie Ungehörigkeiten übersehen oder gar daran teilnehmen, damit sie nicht als vergreist oder autoritätsgierig erscheinen, wenn auf diese Weise verführte Jugend aufsässig wird, sofern man ihr auch nur den mindesten Zwang auferlegen will, weil niemand sie lehrte, die Gesetze zu achten, ohne die keine Gemeinschaft leben kann, dann ist Vorsicht geboten, der Weg droht in die Tyrannei zu führen."

Aus diesen Worten des großen Denkers können wir auch heute einen Auftrag ableiten:

Alle Kräfte unserer Gesellschaft sind aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten im Rahmen der Erziehung und ¿ speziell - einer effektiven Kriminalprävention, die das Ziel hat, ein Lebensumfeld für Kinder zu schaffen, das sie in ihrer Entwicklung fördert, das sie allmählich in eine Erwachsenenwelt hineinwachsen lässt, in der es sich lohnt, selbst mitgestaltende Verantwortung zu übernehmen. Die Arbeit an und mit der Jugend gehört für uns mit zum Generationenvertrag. Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Wenn uns dies gelingt, dann werden wir uns nicht mehr so viele Sorgen um das kriminelle Handeln einiger unserer insbesondere junger Mitbürger machen müssen.

Lassen sie mich meine einführenden Worte mit Konfuzius abschließen:

Der Meister sprach: "Wer sich nicht über seine Zukunft Gedanken macht, der wird sich bestimmt bald über sein Heute sorgen müssen.

 

 

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