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Aktuelle Pressemitteilungen - Sachsen-Anhalt

Innenminister Püchel:
Die Zukunft sichern - Leitbild für Sachsen-Anhalt

20.12.1999, Magdeburg – 173

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 173/99

 

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 173/99

 

 

Magdeburg, den 20. Dezember 1999

 

Innenminister Püchel:

Die Zukunft sichern - Leitbild für Sachsen-Anhalt

Innenminister Dr. Manfred Püchel hat heute in Magdeburg das Leitbild für

die staatliche Verwaltung und die kommunalen Strukturen des Landes vorgestellt.

Das Land Sachsen-Anhalt befindet sich in einer Situation, so Püchel, in

der sich internationale, nationale und regionale Bedingungen rasant verändern.

Demographische Entwicklung, Globalisierung der Wirtschaft, Ausbau der Europäischen

Union und knapper werdenden finanziellen Ressourcen und Handlungsspielräume

zwängen zu einer Modernisierung und Optimierung von Verwaltung und Kommunen.

Gerade die Kommunen des Landes, betont der Chef des Innenressorts, müssen

auch im nationalen wie internationalen Vergleich leistungsstark und wettbewerbsfähig

sein. Stillstand bei der erforderlichen Optimierung würde die kommunale

Leistungskraft auf Dauer schwächen. Eine Kommunalreform sei deshalb nicht

Selbstzweck, sondern diene der Qualität kommunalen Handelns und festige

die kommunale Selbstverwaltung. Sie erbringe auch für den Einzelnen eine

bessere Chance zur Steigerung der persönlichen Lebensqualität. Püchel:

"Die Einwohnerinnen und Einwohner haben einen Anspruch darauf, dass die Verwaltung

in der Lage ist, die Bedürfnisse kostengünstig und mit hoher Qualität

zu erfüllen."

Der Minister hob hervor, dass im Land Sachsen-Anhalt Reformbedarf auf allen

Ebenen festzustellen sei. Püchel: "Eine Reform muss daher ganzheitlich

und in möglichst konzentrierter Form erfolgen."

Eine Bestandsaufnahme habe ergeben, dass 68 Prozent der Gemeinden weniger als

1.000 Einwohner aufweisen und 38 Prozent weniger als 500 Einwohner. Mehr als

15 Prozent der Verwaltungsgemeinschaften lägen unter 5.000 Einwohnern.

17 von 21 Landkreise erreichten die im Jahr 1994 der Kreigebietsreform zu Grunde

gelegte Größe von 120.000 Einwohnern nicht mehr. Deshalb müsse,

so Püchel, umfassend zum Wohl des Landes und zur Sicherung der Zukunft

gehandelt werden.

Das Leitbild beinhaltet:

 

die Zahl der Ministerien um zwei Ressorts zu verringern;

die Auflösung der drei Regierungsbezirke mit ihren Präsidien

und die Schaffung eines Landesverwaltungsamtes in Halle bis zum

Jahr 2005 ; Außenstellen verbleiben in Magdeburg und Dessau

die derzeit fünfzehn Landesoberbehörden bis zum Jahr 2005

um die Hälfte zu verringern;

die Behörden der Ortsinstanz um ein Drittel zu reduzieren;

 

Einheitsgemeinden mit mindestens 7.000 Einwohnern zu bilden;

 

Verwaltungsgemeinschaften bei Abschaffung des Modells der Trägergemeinde

beizubehalten. Die Mindestgröße bei Verwaltungsgemeinschaften soll

10.000 Einwohner betragen. Die Erreichbarkeit des Verwaltungszentrums

darf eine Entfernung von 15 km Luftlinie nicht überschreiten.

 

Gemeinden im Bereich von Verwaltungsgemeinschaften müssen in

der Regel mindestens 1.200 Einwohner stark sein.

Landkreise sollten mindestens 150.000 Einwohner haben, die

Entfernung zwischen Gemeinde und Kreisverwaltung sollte dabei nicht mehr als

45 km Luftlinie betragen.

Dessau soll den Status der Kreisfreiheit behalten und durch Eingemeindungen

die Einwohnerzahl von mehr als 100.000 erreichen.

Ein zwangsweiser Zusammenschluss von Halle und Magdeburg mit

den Umlandkreisen ist nicht vorgesehen. Entweder erfolgen Eingemeindungen

kleiner Umlandgemeinden auf freiwilliger Basis oder die Gemeinden bilden starke

Einheitsgemeinden als Partner der großen Städte.

Die Kommunalreform soll in zwei Phasen vollzogen werden. In einer

Phase der Freiwilligkeit bis Ende des Jahres 2002 und einer staatlichen

Phase mit parlamentarischer Entscheidung bis 2003. Im Jahr 2004 soll

in die neuen Strukturen gewählt werden.

 

Innenminister Püchel betont dabei eindringlich, dass das politische Ziel

nicht lautet: Reform um der Reform willen, sondern "es müssen Wege ermittelt

und Lösungen entworfen werden, die uns auch bei Kosteneinsparungen in der

Lage belassen, anfallende Aufgaben im Bürgerinteresse ohne Qualitätsverlust

zu erledigen." Püchel: "Das Leitbild weist einen konsensfähigen Weg

zur Zukunftssicherung des Landes Sachsen-Anhalt".

 

1. Leitbild für die Verwaltung

1.1 Ausgangslage und Ziel

 

 

Wie die gesamte Bundesrepublik befindet sich das Land

Sachsen-Anhalt in einer Situation, in der sich international, national, regional

und lokal die Rahmenbedingungen beschleunigt verändern. Insbesondere

die demographische Entwicklung, ein verändertes Verhältnis der Bürgerinnen

und Bürger zu Staat und Verwaltung sowie die Globalisierung der Wirtschaft

zwingen in Verbindung zu einer umfassenden Modernisierung. Vor diesem Hintergrund

und unter Berücksichtigung der Haushaltslage, der Stellensituation und

der Personalstruktur der Landesverwaltung ist es erforderlich, ein aufbauorganisatorisches

Leitbild für eine leistungsfähige, bürgernahe, zeit- und kostensparend

arbeitende Verwaltung zu schaffen. Zu berücksichtigen sind auch überlegungen

zur notwendigen Umgestaltung kommunaler Strukturen, da die Aufbauorganisation

der Landesverwaltung in Beziehung steht zur Organisationsstruktur und zur

Verwaltungskraft der Landkreise und kreisfreien Städte. Im dreistufigen

Verwaltungsaufbau des Landes bildet die Kreisverwaltung neben der staatlichen

Ortsebene die untere Verwaltungsebene und gehört zur mittelbaren Landesverwaltung.

Die bisherigen Maßnahmen zur Modernisierung der

Landesverwaltung waren darauf ausgerichtet, die Verwaltung als permanenten

Prozess zu organisieren, der aus einer Vielzahl von Einzelschritten besteht

und mit pragmatischer Offenheit gestaltet werden sollte. Dabei liegt die Realisierung

der Reformschritte in der Regel in der Hand des jeweils zuständigen Ressorts.

Um zu vermeiden, dass die Entwicklungen in den Ressorts auseinanderlaufen,

muss die Verwaltung in Sachsen-Anhalt zusätzlich auch einer ganzheitlichen

Betrachtungsweise unterzogen werden.

Vor dem Hintergrund der Fragen:

 

welche Aufgaben soll das Land überhaupt wahrnehmen

und

was für einen Staat können und wollen wir

uns künftig leisten,

 

gilt es folgende Ziele zu verwirklichen:

 

Die Verwaltungskraft der Gemeinden, der kreisfreien

Städte und der Landkreise muss durch Zusammenschlüsse von Gemeinden

und von Landkreisen so gestärkt werden, dass mehr Aufgaben als bisher

auf die Kommunen übertragen werden können.

Zwischen den Ministerien und den Kommunen muss eine

schlankere Verwaltung errichtet werden.

Die staatlichen Behörden auf der mittleren Verwaltungsebene

sind soweit wie möglich in einer zentralen Einrichtung zu bündeln.

 

Geeignete Landesbehörden sind in Landesbetriebe

zu überführen, die nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien zu

leiten sind.

 

 

 

1.2. Modernisierung der Landesverwaltung

 

1.2.1 Ministerien

 

 

Hinsichtlich der Anzahl der Ministerien wird auf die Empfehlungen der Enquete-Kommission

"Verwaltungsreform" verwiesen. Die Zahl der Ministerien sollte um zwei Ressorts

reduziert werden. Im übrigen sind in die gemeinsame Geschäftsordnung

der Ministerien die Anregungen der Enquete-Kommission aufgenommen, wonach durch

allgemein verbindliche Regelungen Mindestanforderungen für die Bildung

von Abteilungen und für andere Selbständige Organisationsformen in

Abstimmung mit den Ressorts festgelegt werden sollen.

 

 

1.2.2 Von den Regierungspräsidien zum Landesverwaltungsamt

 

 

Dem Ziel der Errichtung einer "schlanken Verwaltung" widerspricht das derzeitige

unsystematische Nebeneinander von drei Regierungspräsidien, von vier

Landesoberbehörden mit eigenem nachgeordneten Bereich und von elf Landesoberbehörden

ohne nachgeordneten Bereich.

Für die Errichtung eines Landesverwaltungsamtes anstelle von drei Regierungspräsiden

spricht die verhältnismäßig geringe Einwohnerzahl des Landes

Sachsen-Anhalt von 2,7 Mio. So hat z. B. der einwohnerstärkste Regierungsbezirk

Düsseldorf 5,25 Mio. Einwohner. Diese Bezugnahme auf die Einwohnerzahl

wird angesichts der erfolgten Ausgliederung großer Bereiche aus den

Regierungspräsidien, wie Polizei, Schulverwaltung und Katasterverwaltung

sowie der zunehmenden Konzentration mittelinstanzlicher Aufgaben in einem

Regierungspräsidium als "Vorort-Aufgabe" um so berechtigter. Auch wird

damit die Wirtschaftlichkeit des Vorhaltens je einer Allgemeinen Abteilung

bei den Regierungspräsiden verstärkt in Frage gestellt.

Bei der Frage, wo und wie nach der Umstrukturierung das Landesverwaltungsamt

seine Aufgaben wahrnimmt, sind Gesichtspunkte der Ausgewogenheit innerhalb

des Landes zu berücksichtigen. Die Bündelungsfunktion des Landesverwaltungsamtes

wird aber nur dann zu einer gewünschten Effizienz führen, wenn sich

die Wahrnehmung aller bündelungsrelevanten Aufgaben auf möglichst

wenige Standorte konzentriert.

 

Das Landesverwaltungsamt soll mit Hauptsitz in Halle errichtet werden und

erhält Außenstellen in Magdeburg und Dessau. Es wird überwiegend

aufgabenbezogen und für Teilbereiche regional gegliedert. Alle bündungsrelevanten

Aufgaben werden an den Standorten Halle oder Magdeburg zusammengefasst, wobei

die auch weiterhin regional wahrzunehmenden Aufgaben, wie z. B. die Kommunalaufsicht

für den nördlichen Teil des Landes in Magdeburg und für den

südlichen Teil in Halle angesiedelt werden. Nicht bündelungsrelevante

Serviceaufgaben, wie z. B. Kasse, Bezügezahlungen, Aus- und Fortbildung

und Datenverarbeitung werden am Standort Dessau wahrgenommen.

 

Diese Lösung hat den Vorteil, dass die vorhandenen Standorte der Regierungspräsidien

beibehalten werden könnten. Die Konzentration der bündelungsrelevanten

Aufgaben an den Standorten Halle und Magdeburg lässt darüber hinaus

eine weitgehende Spezialisierung bei den Fachaufgaben zu.

 

 

1.2.3 Obere Landesbehörden

 

 

Entsprechend der vorstehenden Konzeption sollten weitere Landesoberbehörden

bis zum Jahr 2005 in das Landesverwaltungsamt eingegliedert werden. Außerdem

sollen Sonderbehörden aufgelöst und andere in Eigenbetriebe nach §

26 LHO umgewandelt werden. Die Anzahl der Landesoberbehörden kann dadurch

insgesamt um die Hälfte verringert werden.

 

 

1.2.4 Behörden der Ortsinstanz

 

Die Behörden der unteren staatlichen Verwaltung

sollen bis zum Jahr 2005 um ein Drittel reduziert werden. Abhängig

von der Größe der künftigen kommunalen Behörden wird

in diesem Zusammenhang zu prüfen sein, welche Aufgaben dort wahrgenommen

werden können. In einem ersten Schritt werden die ämter für

Landwirtschaft und Flurneuordnung zum 01.01.2000 von derzeit acht auf vier

reduziert.

 

 

1.3 Zeitrahmen und Umsetzung

 

 

Vor dem Hintergrund der Zeitfolge im Hinblick auf

die Umgestaltung der Gemeinde- und Kreisebene und der damit verbundenen Auswirkungen

auf die unmittelbare Landesverwaltung sowie aus Gründen der Planungssicherheit

für die Beschäftigten der betroffenen Verwaltungen sollte die Reorganisation

der Landesverwaltung im wesentlichen bis Ende 2005 abgeschlossen sein.

 

 

1.4 Aufgabenverteilung zwischen Staat und Kommune

 

 

Die Aufgabenverteilung zwischen der staatlichen und

der kommunalen Ebene ist weitgehend historisch begründet und spiegelt

nicht eine systematisch zu begründende Unterscheidung zwischen Staats-

und Gemeindeaufgaben wider. Tatsächlich könnten nahezu alle Staats-

auch Gemeindeaufgaben sein und umgekehrt, und tatsächlich werden

viele öffentliche Aufgaben sowohl von den Gemeinden als auch vom Staat

erledigt (z. B. im Straßenbau).

Aufgabenkritische überlegungen orientieren sich

heute insbesondere daran, ob eine Aufgabe überhaupt von der öffentlichen

Hand erledigt werden muss und wie eine möglichst orts- und bürgernahe

Aufgabenerledigung gewährleistet werden kann.

Durch Artikel 87 Abs. 2 Landesverfassung ist der prinzipielle

Vorrang der kommunalen Verwaltung vorgegeben . Da es auch keinen Gegensatz

zwischen Staats- und Selbstverwaltung gibt, bedeutet dieser Vorrang, dass

der Staat alle Möglichkeiten ausschöpfen muss, den Kommunen die

Besorgung aller öffentlichen Aufgaben in ihrem Gebiet zu übertragen,

sofern sie die hierfür notwendige Verwaltungskraft besitzen.

Die übertragung weiterer Aufgaben auf die kommunale

Ebene nach der Strukturreform soll zu einer Stärkung der Kreise und Gemeinden

beitragen, die Qualität des Verwaltungshandelns verbessern, Verfahren

beschleunigen und die Verwaltung insgesamt vereinfachen.

 

 

2. Leitbild für die Kommunalen Strukturen

 

 

Nach Abschluss der Aufbauphase haben sich die Strukturen

der kommunalen Selbstverwaltung im Land Sachsen-Anhalt gefestigt und eigenständige

Wesenszüge angenommen.

Weitere Bemühungen in diesem Bereich haben sich

auf die Optimierung dieser Strukturen zu konzentrieren, um die kommunale Selbstverwaltung

noch leistungsstärker, effizienter und fähiger zur Bewältigung

neuer Herausforderungen zu machen. Diese Zielsetzung gilt in besonderem Maße

für Zeiten abnehmender finanzieller Handlungsspielräume aller öffentlichen

Ebenen und neuer Herausforderungen, wie sie sich auch durch den fortschreitenden

Integrationsprozess in der Europäischen Union stellen, der zunehmend

den kommunalen Bereich erfasst. Die Kommunen des Landes müssen auch im

länderübergreifenden Vergleich leistungsstark und wettbewerbsfähig

sein. Hierbei fällt dem Ländervergleich der kommunalen Strukturen

eine besondere Bedeutung zu.

Ein Verzicht auf die Optimierung der vorhandenen Strukturen

würde schon derzeit nicht nur zum Stillstand, sondern sogar zum Verlust

der Leistungsfähigkeit der Kommunen des Landes Sachsen-Anhalt führen,

da alle anderen Länder derartige Strukturverbesserungen bereits abgeschlossen

haben oder - wie die Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern -

im Begriffe sind, dieses zu tun.

Andererseits ist zu beachten, dass die Verwaltung im

Bürgerinteresse stattzufinden hat. Dies ist dann gegeben, wenn die Verwaltung

möglichst ortsnah erfolgt, leistungsstarke Strukturen aufweist und gleichzeitig

für die Bürger noch überschaubar und erreichbar ist. Erreichbarkeit

in diesem Sinne bedeutet sowohl räumliche als auch sachliche Ortsnähe.

Eine Kommunalreform ist nicht Selbstzweck, sie muss

vornehmlich der Erreichung vorgenannter Ziele dienen und hat dort anzusetzen,

wo Optimierungsmöglichkeiten erkennbar werden.

Die Analyse der aktuellen Situation und ein Vergleich

mit den in den Flächenländern der Bundesrepublik vorhandenen Strukturen

führt zu der Erkenntnis, dass die gegenwärtigen kommunalen Strukturen

im Land Sachsen-Anhalt optimierungsbedürftig und -fähig sind.

Handlungsbedarf besteht in gleichem Maße auf allen

kommunalen Ebenen, also bei Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und Landkreisen.

 

2.1 Strukturen der kommunalen Körperschaften

 

Zur Sicherstellung des Verwaltungsbedarfs der Bürger

auf der Ortsebene sollten die effektivsten Strukturen angestrebt werden, die

die Menschen vor Ort zudem finanziell am geringsten belasten. Unter Zugrundelegung

dieser Grundannahmen sollte sich die kommunale Selbstverwaltung im Land Sachsen-Anhalt

wie folgt ausgestalten:

 

2.1.1 Einheitsgemeinden

 

 

Einheitsgemeinden sind die effektivste und leistungsstärkste Form

der kommunalen Selbstverwaltung auf der Ortsebene. Sie sind bereits in der aktuellen

Ausgestaltung der Gemeindeordnung der Regelfall und sollten das grundsätzliche

Modell für eine jede Neustrukturierung von Gemeinden sein. Einheitsgemeinden

sollten mindestens 7.000 Einwohner aufweisen. In dichter besiedelten

Landesteilen sind noch größere Einheiten möglich. Unterschreitungen

des Mindestwertes sollten nur in sehr dünn besiedelten Landesteilen und

als einzelne Ausnahmefälle zugelassen werden. Zur Initiierung und Stärkung

des Integrationsprozesses in den Einheitsgemeinden sowie zum Erhalt einer bestehenden

örtlichen Identität in bisher selbständigen Gemeinden und nunmehrigen

Gemeindeteilen sollten die Einheitgemeindebildung durch die Einführung

der Ortschaftsverfassung unterstützt werden. Bisher selbständige Gemeinden

sollten die unmittelbaren und nur diesen Gemeindeteil berührenden Geschicke

durch diese Organisationsform weiter selbst bestimmen können.

 

 

2.1.2 Verwaltungsgemeinschaften

2.1.2.1 Modelle

 

 

Verwaltungsgemeinschaften dienen der gemeinsamen Verwaltungsführung

rechtlich ansonsten eigenständiger Gemeinden. Bei dieser Organisationsform

der Verwaltung auf Ortsebene sind Reibungsverluste systemimmanent. In diesem

Bereich sind zahlreiche Schwierigkeiten unterschiedlichster Ausprägung

und Ursachen festzustellen. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass im Lande

auch zahlreiche Beispiele für gut funktionierende Verwaltungsgemeinschaften

existieren. Verwaltungsgemeinschaften sollten daher - subsidiär zur Bildung

von Einheitsgemeinden - weiterhin dort zugelassen werden, so sie bisher schon

nachweislich erfolgreich gearbeitet haben und wo diese Erwartung auch für

die Zukunft getroffen werden kann. Verwaltungsgemeinschaften beruhen auf dem

Prinzip der Gleichberechtigung der Partner, stark unterschiedliche Größenordnungen

von Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft, die sich zudem noch in

der jeweiligen Organisationsstruktur der jeweiligen Körperschaft spiegeln,

werden diesem Grundsatz nicht gerecht. Aus diesem Grunde sollte das Modell "Trägergemeinde"

künftig nicht mehr zugelassen werden.

 

 

2.1.2.2 Größe

 

 

Bei Verwaltungsgemeinschaften besitzt der Aspekt der Effizienz und der Wirtschaftlichkeit

einen gesteigerten Stellenwert, da die Beziehung zwischen Kommunalpolitik

und Verwaltung nicht so eng ausgeprägt ist wie bei einer Einheitsgemeinde.

Die gemeinschaftliche Verwaltung wird von den Mitgliedsgemeinden nicht in

allen Fällen als integraler Bestandteil des Gemeindelebens empfunden.

Beim Zuschnitt von Verwaltungsgemeinschaften sind solche Größenordnungen

zu erreichen, die die Kostenbelastung der Bürger durch die Verwaltung

am günstigsten gestaltet. Die bei Verwaltungsgemeinschaften systembedingten

Reibungs- und Effizienzverluste erfordern eine im Vergleich zur konzentrierenden

Struktur einer Einheitsgemeinde eine deutlich höhere Mindesteinwohnerzahl.

Bestehende und neuzubildende Verwaltungsgemeinschaften sollten mindestens

10.000 Einwohner haben. Ausnahmen hiervon sollten nur bei einer im Verhältnis

zur durchschnittlichen Bevölkerungsdichte des Landes über die Maßen

dünnen Besiedelung im Einzelfall zugelassen werden.

Als problembehaftet stellt sich in zahlreichen Fällen die Mitgliedsspannweite

von Verwaltungsgemeinschaften dar. Ist die Zahl der Mitgliedsgemeinden

zu groß, so wird zuviel Verwaltungskraft durch reine Koordinationsaufgaben

gebunden. Ein Ländervergleich wie auch die im Rahmen der Leitbilderstellung

durchgeführten Erörterungstermine haben zu der Erkenntnis geführt,

dass die Verwaltungsarbeit bei einem Wert von acht Mitgliedsgemeinden entscheidende

änderungen erfährt. Eine Verwaltungsgemeinschaft sollte daher in

der Regel nicht mehr als sieben Mitgliedsgemeinden besitzen.

Im Interesse der räumlichen Bürgernähe muss die Verwaltung

auf der Ortsebene gut erreichbar sein. Dies ist unter zumutbaren Umständen

auch in dünn besiedelten Landesteilen dann gegeben, wenn das Verwaltungszentrum

nicht weiter als 15 km Luftlinie entfernt ist . Eine Möglichkeit zur

Stärkung der räumlichen Bürgernähe ist die Einrichtung

von Bürgerbüros.

 

 

2.1.2.3 Aufgabenbestand

 

 

Der derzeitige Aufgabenbestand der Verwaltungsgemeinschaft sollte nicht modifiziert

werden. Insbesondere sollten der Verwaltungsgemeinschaft keine originären

Zuständigkeiten aus dem eigenen Wirkungskreis der Mitgliedsgemeinden durch

Gesetz übertragen werden.

 

 

2.1.2.4 änderung der Rechtsgrundlagen

 

Als optimierungsbedürftig hat sich die Rechtsstellung

des Leiters des gemeinsamen Verwaltungsamtes erweisen. Ihm sind aufgrund

der derzeitigen Rechtsstruktur faktische Grenzen bei der Sicherstellung der

Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gesetzt. Da er in dem Gefüge

zwischen Mitgliedsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaft der berufene fachkompetente

Funktionsträger der Verwaltung ist, sollte ihm ein eigenes Widerspruchsrecht

eingeräumt werden. Dieses kann angesichts seiner Stellung als

Beamter einer Verwaltung nicht politisch-wertende Aspekte erfassen, sondern

ist eng auf reine Rechtsverstöße zu begrenzen.

Im Interesse der Kontinuität und zur Stärkung

der reinen Verwaltungsfunktion des Leiters des gemeinsamen Verwaltungsamtes

("Verwaltungsbeamter") sollte dieser stärker als bisher politischen Diskussionen

entzogen werden, indem seine Amtszeit deutlich länger ausgestaltet wird

als die der - auch politisch tätigen - Bürgermeister. Die Amtszeit

sollte demgemäß zehn Jahre betragen.

Mit der Verlängerung der Amtszeit muss eine deutliche

Steigerung der Qualifikationsanforderungen an den Leiter des gemeinsamen

Verwaltungsamtes einhergehen. Die Leitung einer modernen Verwaltung des beabsichtigten

Zuschnitts setzt die Befähigung zum gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienst

voraus.

 

2.1.3 Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft

 

 

Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft sind der Gefahr ausgesetzt,

echte Entscheidungskompetenzen zunehmend zu verlieren. Gerade in Zeiten immer

enger werdender finanzieller Handlungsspielräume werden die Gestaltungsmöglichkeiten

bei freiwilligen Aufgaben im eigenen Wirkungskreis immer geringer. Dies wird

schon mittelfristig Auswirkungen auf die Bereitschaft der Bürger besitzen,

sich an der kommunalen Selbstverwaltung in Form eines Mandates zu beteiligen.

Zur Sicherstellung einer starken kommunalen Selbstverwaltung vor Ort, die auch

die Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinden untereinander erhält, sind

größere Einheiten dringend erforderlich. Ein Ländervergleich

führt zu der Erkenntnis, dass Einheiten unter 1.000 Einwohner schon jetzt

nicht mehr zur Aufgabenerledigung in der Lage sind. Anzustreben sind im Bereich

von Verwaltungsgemeinschaften daher Gemeinden mit mindestens 1.200 Einwohnern .

Diese Mindestgröße sollte auch im Ausnahmefall nicht mehr unterschritten

werden.

 

 

2.1.4 Landkreise

 

Die Landkreise des Landes Sachsen-Anhalt bedürfen

in der überwiegenden Zahl zum Erhalt der Fähigkeit zur Aufgabenerledigung

einer Stärkung. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass landesweit

ein starker Bevölkerungsrückgang festzustellen ist und dass im Jahre

2005 die Ebene der Regierungspräsidien modifiziert wird. Die bisherigen

Leitbildvorstellungen im Lande, die ausdrücklich von der Existenz von

drei Regierungsbezirken ausgingen, sind insoweit deutlich nach oben zu korrigieren.

Zu beachten ist aber auch, dass Landkreise neben ihrer Eigenschaft als staatlicher

unterer Verwaltungsbereich auch Selbstverwaltungskörperschaften sind.

Begrenzend wirken daher die in einigen Landesteilen dünne Besiedelung

und die hiermit direkt im Zusammenhang stehende Erhaltung der überschaubarkeit

des Gebietes. Angesichts der dünnen Bevölkerungsdichte sollte die

Orientierung dabei an der unteren Grenze des Bundesdurchschnitts erfolgen.

Landkreise im Land Sachsen-Anhalt sollten mindestens 150.000 Einwohner

besitzen. Im Interesse der räumlichen Bürgernähe, die zwar

mit fortschreitenden Telekommunikationsmöglichkeiten zunehmend an Bedeutung

verliert, sollte die Entfernung zwischen einer kreisangehörigen Gemeinde

und der Kreisverwaltung in der Regel nicht mehr als 45 km Luftlinie betragen.

 

2.2 Grundsätze der Zuammenfassung von Kommunen

und Verfahren

 

 

Die Durchführung einer Kommunalreform sollte in einem zweistufigen

Verfahren erfolgen. Im Interesse der Akzeptanz sollte allen kommunalen

Ebenen ausreichend Zeit für eine Selbstfindung zur Verfügung stehen.

Einer staatlichen Umsetzung sollte daher eine Phase der Freiwilligkeit

vorgeschaltet werden. Die Durchführung der Reform sollte - wie in allen

anderen Ländern - auf Wahltermine Rücksicht nehmen, insbesondere

wegen des Grundsatzes der Diskontinuität auf die Landtagswahlen. Zwecks

Vermeidung komplizierter übergangsregelungen sollten neue Strukturen

zu Beginn einer Kommunalwahlperiode in Kraft treten, und es sollten Kommunalwahlen

bereits in diese Strukturen hin erfolgen. Unter diesen Prämissen sollte

mit der Durchführung der freiwilligen Umsetzungsphase unmittelbar begonnen

werden. Die freiwillige Phase sollte im Jahre 2002 enden, die abschließende

staatliche sollte sich unmittelbar daran anschließen. Die parlamentarische

Entscheidung sollte spätestens im Spätsommer des Jahre 2003 abgeschlossen

sein, um ausreichend Zeit für die Vorbereitung der Kommunalwahlen 2004

in die neuen Strukturen zu besitzen.

Die Realisierung der Kommunalreform bedarf einer Vielzahl von übergangsregelungen,

insbesondere zu dienstrechtlichen Fragen, wahlrechtlichen Problemen und Amtszeiten

der kommunalen Wahlbeamten, vor allem der hauptamtlichen Bürgermeister

und der Landräte. Diese übergangsregelungen sind in mehreren Vorschalt-

und Begleitgesetzen zu regeln.

 

 

2.3 Einzelfragen

2.3.1 Stadt-Umland-Problem

 

 

In den kreisfreien Städten Halle und Magdeburg ist deutlich ein Stadt-Umland-Problem

festzustellen. Die Ursachen hierfür sind mehrschichtig. Es handelt sich

dabei sowohl um für derartige Geflechte allgemein typische als auch regionalspezifische

Erscheinungsformen. Nicht nachgewiesen werden konnte im Rahmen der Untersuchungen,

dass die Stadt-Umland-Problematik in den beiden konkreten Fällen zu einer

Existenzgefährdung oder einer bereits absehbaren Behinderung in der künftigen

Entwicklung der kreisfreien Städte führt. In beiden Kommunen sind

hinreichend Räume für die Schaffung und den Ausbau von Gewerbegebieten

und Wohnbebauung vorhanden. Wanderungsbedingte Verluste in diesem Kommunen sind

nicht ausschließlich strukturbedingt, sondern hängen auch mit kommunalpolitischen

Entscheidungen innerhalb der kreisfreien Städte zusammen. Auch die Finanzausstattung

der kreisfreien Städte durch das Finanzausgleichsgesetz berücksichtigt

unter mehreren Gesichtspunkten die Besonderheiten der Stadt-Umland-Beziehung.

Ein zwingender grundlegender staatlicher Handlungsbedarf ist derzeitig nicht

erkennbar. Reibungsflächen sind vornehmlich zwischen den beteiligten

Kommunen durch deren Selbstverwaltungsorgane selbst auszuräumen. Lediglich

im Rahmen der allgemeinen Leitbildvorstellungen zu kreisangehörigen Gemeinden

sollten Gemeinden im Bereich des Umlands kreisfreier Städte sich entweder

zu leistungsstarken Einheitsgemeinden zusammenschließen oder, wo dies

nicht möglich, in die kreisfreie Stadt eingemeindet werden. Verwaltungsgemeinschaften

entfalten gegenüber kreisfreien Städten in der Regel keine hinreichende

eigene Leistungsfähigkeit als Gegengewicht und sollten in der Regel nicht

als Organisationsform im Umlandbereich in Betracht gezogen werden.

 

 

2.3.2 Künftiger Status der Stadt Dessau

 

 

Die Stadt Dessau sollte den Status der Kreisfreiheit behalten. Da die

gegenwärtige Einwohnerzahl eine allgemein akzeptable und im Ländervergleich

akzeptierte Untergrenzen unterschritten hat, ist durch Eingemeindungen eine

Einwohnerzahl von deutlich über 100.000 zu erreichen.

 

 

2.3.3 Kommunalaufsicht

 

Die untere Kommunalaufsicht bei den Landkreisen

ist nachhaltig zu stärken , um der Beratungspflicht gegenüber

dem kreisangehörigen Bereich gerade angesichts steigender Qualitätserwartungen

der Bürger und Herausforderungen an die kommunale Selbstverwaltung insgesamt

nachkommen zu können. Hierfür ist hinreichend qualifiziertes Personal

erforderlich. Diese Maßnahme sind von den Landräten zu einer vordringlichen

Aufgabe zu erklären und entsprechend durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen

des dort eingesetzten Personals zu fördern. Das Land hat die Landkreise

durch geeignete Maßnahmen dabei zu unterstützen.

 

 

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