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Aktuelle Pressemitteilungen - Sachsen-Anhalt

Redebeitrag von Innenminister Dr. Manfred Püchel zum "Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt"

04.05.2000, Magdeburg – 52

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 052/00

 

Magdeburg, den 4. Mai 2000

 

 

Redebeitrag von Innenminister Dr. Manfred Püchel zum "Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt"

Es gilt das gesprochene Wort!

Nach dem Beschluss des Kabinetts zur änderung des SOG lege ich Ihnen heute den Entwurf zur parlamentarischen Beratung vor. Der Einbringung ist neben einer breiten öffentlichen politischen Diskussion eine intensive fachliche Vorbereitung vorausgegangen.

Das Sicherheits- und Ordnungsgesetz unseres Landes ist seit dem 1. Januar 1992, also seit gut acht Jahren in Kraft. Auf Grund des Novellierungsbedarfs haben wir vor zwei Jahren mit den konkreten Vorarbeiten zur änderung des Gesetzes begonnen. Anlässlich der Beratungen zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion Anfang letzten Jahres hatte ich die Einbringung eines eigenen Entwurfs angekündigt.

Die Gründe hierfür liegen zum einen in der änderung wichtiger Bundesgesetze, auf die sich unser Gesetz bezieht. Die Notwendigkeit für eine substanzielle überarbeitung einzelner polizeilicher Befugnisse ergibt sich zum anderen insbesondere aus polizeilichen Erfordernissen, die sich in den letzten Jahren ergeben haben.

Unverkennbar hat die Qualität der polizeilichen Arbeit ganz erheblich zugenommen. Auch dadurch konnte der besorgniserregende Trend von Jahr zu Jahr steigender Kriminalitätszahlen seit 1996 umgekehrt werden.

Bei der Aufklärungsquote erreicht unsere Polizei mittlerweile Ergebnisse, die sich auch bundesweit sehen lassen können. 1999 lagen wir sogar über dem Bundesdurchschnitt.

Die sehr positive Entwicklung ändert jedoch nichts daran, dass die Polizei in einigen Feldern vor zunehmend schwierigeren Aufgaben steht. Ich denke dabei an die Organisierte Kriminalität, die nicht vor nationalen Grenzen und erst recht nicht vor den Grenzen unseres Bundeslandes Halt macht. Ich denke ferner an die Rauschgiftkriminalität, die sich seit der Wende auch in Sachsen-Anhalt entwickelt hat.

Und ich denke an die Zunahme von Veranstaltungen vor allem rechtsextremistischer Gruppierungen, die nach polizeilichen Gegenmaßnahmen verlangt.

Die änderung von Gesetzen ist kein Allheilmittel zur Bewältigung dieser und anderer aktueller Herausforderungen an die Polizei. Ich selbst habe häufig genug davor gewarnt, allzu große Erwartungen allein in Gesetzesänderungen zu setzen.

Aber natürlich bilden zeitgemäße und praxisgerechte gesetzliche Befugnisse die notwendige Grundlage für ein effektives vor allem auch rechtssicheres polizeiliches Handeln. Bezeichnend ist insofern, dass seit dem In-Kraft-Treten unseres SOG die Polizeigesetze anderer Bundesländer entsprechend novelliert worden sind.

In der breiten öffentlichen Diskussion der letzten Monate ist von Kritikern zum Teil mit weit übertriebenen Vorstellungen von polizeilichem Handeln infolge der Gesetzesänderung argumentiert worden. Ich werde im Einzelnen noch auf Beispiele solch unzutreffender Szenarien eingehen, die den vorliegenden änderungsvorschlägen nicht gerecht werden.

Im Gegenteil: Nach eingehenden Vorberatungen in meiner Fraktion und im Kabinett lege ich Ihnen heute sehr ausgewogene änderungsvorschläge vor. Ich bin zuversichtlich, dass in der weiteren parlamentarischen Beratung verdeutlicht werden kann, dass diese Vorschläge keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheitsrechte unserer Bürgerinnen und Bürger bedeuten.

Dass jedoch der Polizei hierdurch notwendige Instrumentarien zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und zur Vermeidung von Straftaten zur Verfügung gestellt werden.

Die bisherige öffentliche Diskussion drehte sich um die Erweiterung der offenen Videoüberwachung, den erweiterten Platzverweis und lagebildabhängige Straßenkontrollen. Dies sind zweifellos die Kernpunkte des vorliegenden Entwurfs, der jedoch weitere Punkte umfasst und nicht hierauf reduziert werden sollte.

Anrede,

eine besonders lebhafte Diskussion wurde und wird über die vorgesehene Erweiterung der polizeilichen Befugnis zur sogenannten Videoüberwachung geführt. Kritiker haben bis zuletzt vor einer "flächendeckenden überwachung" gewarnt. Sie hatten dabei jedoch nicht den vorliegenden Entwurf, sondern offenbar das Beispiel Großbritanniens vor Augen.

Dort werden in der Tat ganze Städte mit einer Vielzahl von Videokameras so lückenlos überwacht, dass dem elektronischen Auge kaum ein Winkel verborgen bleibt. Es findet dort nicht nur eine Videoübertragung in eine überwachungszentrale und eine ständige Beobachtung des aufgenommenen Geschehens auf den Monitoren statt. Es wird auch alles aufgezeichnet, was die Kameras aufnehmen. Zudem werden alle Videobänder aufbewahrt, ohne dass es auf den Inhalt der Aufzeichnungen ankommt.

Eine überwachung in dieser Form hatte ich niemals vor Augen. Geplant war und ist vielmehr, die nach dem SOG bereits bestehende polizeiliche Befugnis maßvoll zu erweitern. Schon nach geltendem Recht besteht eine solche Befugnis, soweit es darum geht, in unmittelbarem Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen, die nicht dem Versammlungsgesetz unterfallen, Straftaten zu verhüten.

Das Gleiche gilt in Bezug auf die sog. gefährdeten Objekte, nämlich Verkehrs- oder Versorgungsanlagen oder ¿einrichtungen, öffentliche Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder andere besonders gefährdete Objekte sowie deren unmittelbarer Nahbereich.

Mit der geplanten änderung geht es nun darum, diese Befugnisse auf Kriminalitätsschwerpunkte auszudehnen, zum Beispiel bekannte Drogenumschlagplätze und andere Orte, von denen bekannt ist, dass dort vermehrt Straftaten begangen werden.

Die Polizei soll nun die Befugnis erhalten, an Orten, an denen auf Grund entsprechender Anhaltspunkte davon ausgegangen werden muss, dass dort Straftaten verabredet, vorbereitet oder verübt werden, offen mittels eingesetzter Technik Videoaufnahmen herzustellen.

Das aufgenommene Geschehen soll auf Monitore in den Polizeidienststellen übermittelt werden. Die Monitore werden von Polizeibeamten beobachtet. Diese Verfahrensweise ergänzt also nur die persönliche Präsenz der Polizei an den gefährlichen Orten durch eine technische.

Es passiert nicht mehr, als wenn ein Beamter persönlich vor Ort anwesend ist und durch Hinschauen das Geschehen registriert und ggf. erforderliche Maßnahmen ergreift.

Im Unterschied zu den bestehenden Regelungen bei Ansammlungen oder den gefährdeten Objekten soll es aber bei der technischen überwachung von Kriminalitätsschwerpunkten keine polizeirechtliche Befugnis zur Aufzeichnung von Aufnahmen geben.

Hier wird etwas deutlich, was sich wie ein roter Faden durch den gesamten Gesetzentwurf zieht: Die Landesregierung will der Polizei die Befugnisse geben, die sie dringend braucht. Gleichzeitig sollen dabei aber im größtmöglichen Umfang die Bürger- und Freiheitsrechte gewahrt werden.

Anrede,

wir bewegen uns mit dem Gesetzentwurf voll und ganz auf der Linie des Verwaltungsgerichts Halle. Dieses hat u. a. festgestellt, dass nicht nur die übersichtsaufnahmen keinen Eingriff in Persönlichkeitsrechte darstellen. Auch das Heranzoomen ohne Aufzeichnung sei nicht anders zu bewerten, als ein Hinschauen eines Polizeibeamten vor Ort und damit ebenfalls noch kein Eingriff in Persönlichkeitsrechte.

Anrede,

wenn wir zukünftig Straftaten wirkungsvoller als bisher verhüten wollen, und wenn wir der Polizei hierfür das Mittel der technischen überwachung von Kriminalitätsschwerpunkten geben wollen, dann reicht es nicht aus, bloße übersichtsaufnahmen anzufertigen. Der Polizei muss auch die Möglichkeit eröffnet werden, ohne Anhaltspunkte für Straftaten die Zoomfunktion zu betätigen oder aber auch ggf. von vornherein genauer hinzuschauen. Dies sieht die Neuregelung vor.

Nicht vorgesehen ist aus Gründen des Datenschutzes die Aufzeichnung der Bilder. Insofern bleibt es bei der Befugnis nach der Strafprozeßordnung, die hierfür einen konkreten Straftatverdacht voraussetzt. Erst und nur dann kann die Aufzeichnungsfunktion in Gang gesetzt werden.

Die überwachung soll ausschließlich offen erfolgen. Aus meiner Sicht eine weitere ganz entscheidende Einschränkung. Denn es wird gerade nicht um die geheime Aufzeichnung bestimmter Personen oder gar Gespräche gehen, wie sie viele unter uns nach wie vor und verständlicherweise unangenehme Assoziationen weckt.

Mir geht es vielmehr um die überwachung bestimmter Plätze, auf die jede Person durch Schilder aufmerksam gemacht wird, wenn sie den betreffenden Ort betritt.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Videoüberwachung meine in sie gesetzten Erwartungen erfüllen wird. Das zeigen u.a. die Ergebnisse der in Magdeburg durchgeführten Videoüberwachungen von als Kriminalitätsschwerpunkten bekannten Parkplätzen.

Drei Parkplätze, die von einer besonders hohen Zahl an Kfz-Diebstählen geprägt waren, wurden mit Kameras überwacht.

Die überwachung führte zu einem erheblichen Rückgang der Fallzahlen.

Beim Modellversuch in Halle zeichneten sich ebenfalls schon innerhalb kürzester Frist Erfolge ab, wenn es auch für eine abschließende Beurteilung letztlich noch zu früh ist. Hatten sich bis Ende letzten Jahres auf dem Marktplatz zahlreiche Personen zusammengefunden, die der Drogenszene zuzuordnen sind, so sind diese Personengruppen dort nicht mehr feststellbar.

Befragte Passanten und Markthändler gaben an, sie würden sich durch die Videoüberwachung sicherer fühlen, wieder gerne über den Marktplatz gehen, und sie hätten so ein gutes Stück Lebensqualität in ihrer Stadt zurückgewonnen. Erfahrungen mit der polizeilichen Videoüberwachung in Leipzig bestätigen im übrigen, dass die Videoüberwachung von Kriminalitätsschwerpunkten eben nicht lediglich zu einer Verdrängung der Kriminalität führt, sondern zu einem echten Rückgang an Kriminalität.

Abschließend zu diesem Punkt noch ein Blick auf die bundesweite Diskussion zur Videoüberwachung: Andere Bundesländer, zuletzt das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen, haben bereits entsprechende Befugnisse in ihre Polizeigesetzen aufgenommen.

Der Innenministerkonferenz liegt zur morgigen Sitzung ein entsprechender Beschlußvorschlag vor. Nach den Vorabstimmungen in den Arbeitskreisen wird dieser Beschluß, gestützt auf die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe, morgen einstimmig von allen Innenministern gefasst werden. Darin wird die hier vorgesehene Beschränkung der überwachung auf Kriminalitätsschwerpunkte unterstützt und die Geeignetheit der Videographie zur wirksamen Unterstützung polizeilicher Gefahrenabwehr und Strafverfolgung betont.

Mit Blick auf ein Scheinargument von Kritikern nenne ich hier auch den weiteren Beschlußinhalt, in dem unterstrichen wird, dass zur Videoüberwachung ein umfassendes polizeiliches Konzept an den betreffenden Plätzen treten muß. Die Unterstellung voreiliger Kritiker, mit den Videokameras sollten andere polizeiliche Maßnahmen vernachlässigt werden, ist also falsch.

Auch die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben sich mit der Videoüberwachung befasst, was im März ein breites Presseecho gefunden hat. Wenn Sie sich die Entschließung der Datenschützer anschauen, werden Sie feststellen, dass darin die Aufzeichnung und Speicherung ein wichtiger Problempunkt ist, auf die unser Entwurf verzichtet.

Im übrigen werden im Hinblick auf alle wesentlichen Elemente der Regelung wie Ort, Offenlegung und Kontrolle der Maßnahme, Forderungen gestellt, wie sie nahezu identisch in unserem Entwurf bereits vorgesehen waren. Unter den genannten Voraussetzungen plädieren die Datenschutzbeauftragten im Interesse der Rechtsklarheit ausdrücklich für gesetzliche Regelungen.

Anrede,

lassen sie mich zu einem weiteren Kernpunkt der vorgesehenen Gesetzesänderung kommen, dem sogenannten erweiterten Platzverweis.

Ein Platzverweis ist nach bisherigem Recht nur für einen sehr kurzen vorübergehenden Zeitraum möglich. Für einen längeren Zeitraum dürfte er dagegen selbst dann nicht ausgesprochen werden, wenn dies zur Gefahrenabwehr erforderlich wäre. Voraussetzung ist stets, dass diese Maßnahme zur Abwehr einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist.

Außerdem kann die betroffene Person nur von einem eng umgrenzten Ort verwiesen werden. Dabei handelt es sich z. B. um einen Marktplatz, eine Straßenseite, ein Gebäude oder die unmittelbare Umgebung einer Unglücksstelle. Das SOG lässt es jedoch beispielsweise nicht zu, einen Platzverweis für einen ganzen Stadtteil oder für das gesamte Gebiet einer Gemeinde anzuordnen.

Besonders für zwei Bereiche der polizeilichen Gefahrenabwehraufgabe hat sich die bisherige Befugnisnorm als nicht ausreichend erwiesen. Der erste Bereich ist der der Straftatenverhütung im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen.

So kommt es aus Anlaß von Fußballspielen oftmals zu gewalttätigen Ausschreitungen von Hooligans. Auch bei rechtsextremistischen Skinheadkonzerten sind oft Gewalttaten zu verzeichnen, neben den regelmäßig üblichen Propagandadelikten. Bei Demonstrationen müssen Straftaten wie Landfriedensbruch verhindert werden.

Die zeitlichen und vor allem räumlichen Einschränkungen bei der Platzverweisung lassen nach bisheriger Rechtslage bei diesen Fallkonstellationen oftmals nur polizeitaktisch unbefriedigende, zum Teil wenig effektive Einsatzmaßnahmen zu.

So können polizeiliche Kontrollstellen und andere polizeiliche Einsatzmaßnahmen räumlich nur sehr dicht beim konkreten Veranstaltungsort und zeitlich nur verhältnismäßig kurz vor Veranstaltungsbeginn eingerichtet werden, wenn Gefahren durch Platzverweis abgewehrt werden sollen.

Nicht möglich sind dagegen z. B. großräumige Absperrungen und Personenkontrollen an einem Nachmittag, um durch Platzverweisungen zu verhindern, dass Veranstaltungsteilnehmer ein Stadtzentrum, in dem am Abend beispielsweise ein Skinheadkonzert stattfinden soll, überhaupt betreten. Auch können z. B. mit der Bahn anreisende gewaltbereite Hooligans nicht bereits am Bahnhof festgehalten und aufgefordert werden, die Stadt mit dem nächsten Zug wieder zu verlassen.

Ziel polizeilichen Handelns muß es aber gerade sein, verbotene Veranstaltungen wie Skinheadkonzerte wirksam dadurch zu verhindern, dass bestimmte Störer daran überhaupt teilnehmen können. Das polizeiliche Handeln ist bei einer größeren Anzahl von Störern um so wirkungsvoller, je früher und je großflächiger ihre Anreise verhindert werden kann.

Wenn sich erst einmal eine große Anzahl von gewaltbereiten Störern an einem Ereignisort befindet, muss die Polizei mit einem erheblich größeren Kräfteaufgebot einen gefährlicheren Einsatz durchführen. Der erforderliche Zwangsmitteleinsatz am Brennpunkt würde außerdem deutlich höher liegen.

Im Rahmen früher und großflächiger polizeilicher Einsatzmaßnahmen kann derzeit also grundsätzlich kein Platzverweis bezüglich des konkreten Ereignisortes ausgesprochen werden.

Ist jedoch von bei einer Kontrollstelle angetroffenen Personen die Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu erwarten, können sie dagegen nach bisherigem Recht in Gewahrsam genommen werden. Dies bedeutet einen wesentlich einschneidenderen Eingriff in Rechte der Betroffenen, als ein erweiterter Platzverweis.

Der zweite Bereich, in dem sich die bisherige Platzverweisung als nicht ausreichend erwiesen hat, ist die Kriminalitätsverhütung insbesondere hinsichtlich der Drogenkriminalität. Gerade um die Etablierung offener Drogenszenen zu verhindern, genügt es nicht, Drogendealer nur für kurze Zeit von einem eng umgrenzten Drogenumschlagplatz fern zu halten. Nach geltendem Recht kann sich der Dealer im Anschluß an einen Platzverweis in der Nähe seines Betätigungsortes aufhalten und muß lediglich einige Zeit abwarten.

Dann wird er sich zeitlich nur wenig verzögert erneut dorthin begeben und die geplante Drogenstraftat begehen. Auch seine Kunden werden sich auf Grund einer gewissen zeitlichen Verzögerung am aufgesuchten Ort nicht in einer anderen Stadt nach einem anderen Dealer umsehen. Sie warten das Wiedererscheinen ihres Dealers ab.

Kann die Polizei dagegen dem Dealer für einen längeren Zeitraum das Betreten der ganzen Stadt verbieten, so kann er seine Kunden nicht mehr beliefern. Er müsste sich beispielsweise in einer anderen Stadt erst einen neuen Kundenstamm aufbauen. Andererseits wird der Dealer auch für seine bisherigen Kunden uninteressant, weil er in der bisherigen Stadt für längere Zeit als Drogenlieferant nicht mehr zur Verfügung steht.

Daraus ergibt sich eine empfindliche Störung und Verunsicherung der Drogenszene, die zu einem Rückgang der Drogenkriminalität führen dürfte. Ein solcher Rückgang ist auch dringend nötig. Das belegt die Kriminalstatistik.

Die Drogenkriminalität ist ein Kriminalitätsfeld, in dem entgegen dem allgemeinen Trend im Land die Zahl der Straftaten nicht rückläufig ist. Im Gegenteil, trotz beachtlicher Aufklärungserfolge stieg die Zahl der registrierten Delikte im Jahr 1999 gegenüber 1998 noch einmal um 34,3% an.

Dieser Anstieg dokumentiert den Bedarf nach einem wirkungsvollen Gesamtkonzept zur Bekämpfung der Drogenkriminalität. Dies kann sich jedoch nicht allein auf administrative Maßnahmen oder änderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation der Polizeibehörden beschränken.

Wir brauchen auch die erforderlichen polizeilichen Befugnisse zur effizienten Straftatenverhütung. deshalb beabsichtigen wir, der Polizei ein weiteres wirksames Instrument an die Hand zu geben, die zeitlich und räumlich erweiterte Platzverweisung zur Austrocknung örtlich begrenzter attraktiver Umschlagplätze.

Die nunmehr vorgesehene Regelung entspricht den dringenden Erfordernissen der polizeilichen Praxis. Sie ist so restriktiv gefaßt, dass das Gebot der Verhältnismäßigkeit in besonderem Maße gewahrt wird.

Ziel der Maßnahme ist ausschließlich die Verhinderung von Straftaten. Voraussetzung sind daher stets konkrete Tatsachen, die den Schluß zulassen, die betroffene Person werde eine der im Katalog genannten Straftaten begehen.

Anrede,

die Zunahme grenzüberschreitender Kriminalität sowie die durch den teilweisen Wegfall der Binnengrenzkontrollen in Europa begünstigte Mobilität reisender Straftäter zwingen die Sicherheitspolitik zur Entwicklung adäquater Gegenstrategien. Zwei Aspekte sind dabei aus meiner Sicht besonders entscheidend:

Zum einen können viele der in Betracht kommenden Straftaten der grenzüberschreitenden Kriminalität überhaupt nur durch kontrollierendes Tätigwerden der Polizei aufgedeckt werden. Dies gilt insbesondere z. B. für Delikte der Rauschgift- und Schleusungskriminalität, des Menschenhandels oder der Kfz-Verschiebung.

Zum anderen hat das Land Sachsen-Anhalt zwar keine Außengrenzen, wird aber in beträchtlichem Ausmaß als Transitland der grenzüberschreitenden Kriminalität genutzt.

Im Zeitalter der Globalisierung und wachsender grenzüberschreitender Mobilität, und das bedeutet eben auch globalisierter und hochmobiler Kriminalität, bedarf der Straßenraum, der für den grenzüberschreitenden Verkehr von Bedeutung ist, zwingend näherer polizeilicher Aufmerksamkeit.

Aus diesem Grunde haben bereits zahlreiche Länder in ihren Polizeigesetzen die Befugnisse geregelt, mit denen verdachtsunabhängige Kontrollen durchgeführt werden können.

Am Beispiel der A 2 wird deutlich, wie sinnvoll, ja wie notwendig, möglichst einheitliche rechtliche Regelungen sind, um hier abgestimmte Fahndungsmaßnahmen zu ermöglichen. Sachsen-Anhalt stellt auf diesem Weg von Ost- nach Westeuropa bisher quasi einen weißen Fleck auf der Landkarte in Bezug auf solche Maßnahmen dar. Dies wirkt sich besonders kritisch bei Aktionen aus, die länderübergreifend auf dieser Strecke ausgeübt werden.

Mit der vorgesehenen Gesetzesänderung soll die Polizei ermächtigt werden, zur vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität Personen auf Bundesfernstraßen kurzzeitig anzuhalten, zu befragen und zu verlangen, dass mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung ausgehändigt werden. Darüber hinaus soll die Polizei mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen dürfen.

Bei all dem ist von Bedeutung, dass solche Maßnahmen nicht quasi ins Blaue hinein getroffen werden dürfen. Sie sind vielmehr nur zulässig, wenn die Polizei konkrete Lageerkenntnisse hat, wonach auf dem betroffenen Verkehrsweg Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden sollen.

Als grundrechtsschützende Verfahrensregelung ist vorgesehen, dass die Entscheidung über solche Maßnahmen beim Behördenleiter angebunden ist.

Mit dieser Regelung erhält die Landespolizei ein wirksames Instrumentarium zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität ¿ insbesondere, wenn es abgestimmt mit unseren Nachbarländern eingesetzt wird.

Lassen Sie mich am Beispiel Niedersachsens darstellen, wie erfolgreich diese Kontrollbefugnis in der Praxis ist: Die Niedersächsische Polizei hat im Jahr 1999 rd. 50 000 Kontrollen vorgenommen, von denen ca. 95 000 Personen betroffen waren. Gegen 6 600 Personen wurden dabei Straf- und Bußgeldverfahren eingeleitet, 340 Personen wurden in Haft genommen. Bei weiteren 9 000 Personen haben sich anlässlich der Befragung Verdachtsmomente aufgezeigt, die weitere polizeiliche Maßnahmen erforderlich machten. ähnliche Ergebnisse liegen z.B. für Thüringen vor.

Diese hohe Trefferquote zeigt, wie erfolgreich dieses Instrumentarium ist. Es zeigt daneben aber auch, wie gezielt diese Fahndungsmaßnahmen in der Praxis durchgeführt werden. Niemand muß Angst haben, dass die Kontrollen quasi wahllos bei übermäßiger Inanspruchnahme Nichtverdächtiger durchgeführt werden.

Anrede,

auch hinsichtlich dieser Regelung ist der Regierungsentwurf von dem Bemühen gekennzeichnet, der Polizei die denkbar effizientesten rechtlichen Grundlagen für ihre Arbeit zu schaffen. Andererseits wollen wir damit aber in möglichst geringem Umfang in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen.

Die Befugnis für die Polizei, sich Aufklärung darüber zu verschaffen, wer ihr angetroffenes Gegenüber ist, haben wir als Befragungsrecht ausgestaltet.

Andere Länder haben hier weit einschneidendere Maßnahmen der polizeirechtlichen Identitätsfeststellung geregelt, wie Festhalten und Durchsuchung der Person, Verbringung zur Dienststelle, erkennungsdienstliche Maßnahmen und ggf. sogar die Gewahrsamsnahme.

Dieses Instrumentarium haben wir nicht vorgesehen, genauso wenig wie Niedersachsen, Berlin oder Brandenburg auf Straßen außerhalb des grenznahen Raumes. Es ist praktisch nicht erforderlich, wie die bisherigen Erfahrungen, insbesondere auch z. B. die Erfolge in Niedersachsen aufgezeigt haben.

Lassen Sie mich hierzu einen weiteren Gesichtspunkt anführen: Was wir mit der Novelle vorsehen, sind nicht "verdachts- und ereignisunabhängige" Kontrollen. Vielmehr bedarf es stets konkreter polizeilicher Lageerkenntnisse, dass auf dem jeweiligen Verkehrsweg Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden sollen und die Maßnahme zur Verhütung grenzüberschreitender Kriminalität erforderlich ist.

Es liegt im Einzelfall, bezogen auf die angehaltene und befragte Person, selbst zwar keine konkrete Gefahrenprognose vor, aber doch ein nachhaltiges Gefahrenmoment in Bezug auf den öffentlichen Raum, in dem sie sich aufhält. So etwas ist dem Polizeirecht nicht fremd. Andere Beispiele für Kontrollbefugnisse sind z. B. die Verkehrskontrollen oder Güterkraftverkehrs-, Luftsicherheits- oder Gefahrgutkontrollen.

Wir wollen uns den sich wandelnden Formen mobiler Kriminalität anpassen, um sie mit größtmöglicher Effizienz zu verhüten und zu verfolgen. Dies ist mit der Befugnis in der vorgesehenen Form möglich.

Anrede,

ich komme zur nächsten änderung des SOG. Stellen sie sich vor, bei der Polizei oder bei der Feuerwehr geht ein Notruf ein und der Anrufer schildert den Notfall so aufgeregt, dass der den Notruf Entgegennehmende nicht alles gleich verstehen kann und deshalb umständlich nachfragen muss.

Hierdurch können zeitliche Verzögerungen eintreten. Hier macht es Sinn, den eingehenden Notruf gleich aufzuzeichnen, um ihn dann in aller Ruhe notfalls mehrfach abhören zu können.

ähnliches gilt z. B. für einen Anruf, der sich erst im Laufe des Gesprächs als anonyme Bombendrohung erweist. Eine Bombendrohung stellt eine Straftat dar, die von den Strafverfolgungsbehörden zu verfolgen ist. Hier wäre es hilfreich, wenn die Polizei den Anruf von Anfang an aufgezeichnet hätte, um so über die Stimme oder sprachliche Eigentümlichkeiten Hinweise auf den Anrufer zu erhalten und den Täter ermitteln zu können.

Da das SOG keine entsprechende ausdrückliche Regelung enthält, möchten wir sie mit dem vorgelegten Gesetzentwurf schaffen, wenngleich solche Aufzeichnungen auch ohne Rechtsgrundlage zumindest teilweise für zulässig erachtet werden. Im Interesse der Rechtssicherheit ist eine klare gesetzliche Bestimmung vorzuziehen.

Anrede,

in der Praxis kommt es insbesondere bei besonders schwerwiegenden Straftaten vor, dass für wichtige Zeugen oder ihre Angehörigen die Gefahr besteht, Opfer eines Anschlages oder einer Entführung zu werden.

Zeugen müssen deshalb vor solchen Gefahren wirksam geschützt werden. Effektiver Zeugenschutz ist jedoch nicht allein durch polizeilichen Personenschutz möglich. Es kann auch der Aufbau einer neuen Identität erforderlich werden. Bisher fehlt jedoch die Rechtsgrundlage für die Ausstellung entsprechender Tarnpapiere. Der vorliegende Gesetzentwurf soll hier Abhilfe schaffen.

Anrede,

ich denke, die Darstellung der einzelnen Punkte des vorliegenden Entwurfs hat noch einmal deutlich gemacht, dass jeder für sich eine ausgewogene Regelung darstellt. Verfassungsrechtliche und datenschutzrechtliche Aspekte sind bei der Erarbeitung besonders eingehend erörtert und berücksichtigt worden worden.

Die änderungen der gesetzlichen Grundlagen wird für sich allein keine Sicherheit schaffen können. Was ich für die Videoüberwachung an Kriminalitätsbrennpunkten im Hinblick auf die Notwendigkeit eines Konzeptes polizeilicher Maßnahmen für die betroffenen Plätze betont habe, gilt ganz entsprechend auch insgesamt:

Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erfordert eine Vielzahl von Maßnahmen, die alle Bereiche der Polizei unseres Landes und der Ordnungsbehörden betreffen und nach kontinuierlicher Fortentwicklung verlangen.

Ich kann beispielhaft für diese qualitative Entwicklung unserer Polizei auf das Personalkonzept verweisen, dass die Einstellung und Ausbildung junger Beamter sichert und eine langfristige Vorplanung für einen homogenen Altersaufbau des Personalkörpers enthält. Modernste Informations- und Kommunikationstechnik hält Einzug in die Dienststellen und Problembereichen wird durch entsprechende Konzepte Rechnung getragen.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist in diesem Zusammenhang notwendig, um die rechtlichen Grundlagen weiterzuentwickeln und vor allem die Rechtssicherheit für ein effektives Handeln unserer Beamtinnen und Beamten zu gewährleisten. Nach den intensiven Diskussionen im Vorfeld der heutigen Beratung freue ich mich persönlich ganz besonders, dass wir heute in die parlamentarische Diskussion eintreten.

Sie werden verstehen, dass mir gerade nach dieser relativ langen und mit großer öffentlicher Beachtung geführten Diskussion an der Schaffung von Rechtsklarheit und ¿ Sicherheit für die Polizei, aber auch mit Blick auf die Bürgerinnen und Bürgern gelegen ist. Ich bitte Sie in diesem Sinne um eine sachliche und zügige Beratung.

 

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