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Aktuelle Pressemitteilungen - Sachsen-Anhalt

Innenminister Dr. Manfred Püchel eröffnet Dokumentations- und Informationszentrum in der Gedenkstätte Marienborn

30.06.2000, Magdeburg – 84

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 084/00

 

Magdeburg, den 30. Juni 2000

 

 

Innenminister Dr. Manfred Püchel eröffnet Dokumentations- und Informationszentrum in der Gedenkstätte Marienborn

 

 

45 Jahre nach Einrichtung einer alliierten Kontrollstelle in Marienborn und genau 10 Jahre nach der Beendigung der Kontrollhandlungen hat heute Innenminister Dr. Manfred Püchel das umgebaute ehemalige Stabsgebäude der Grenzübergangsstelle als Informations- und Dokumentationszentrum der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn eingeweiht und die neue Dauerausstellung der öffentlichkeit präsentiert.

Püchel: "Mit dem Ministerratsbeschluss vom 13. August 1961 wurde ein Grenzregime legitimiert, das in seiner Perfektion und Perversion einmalig war. Mit Hilfe von Mauer Stacheldraht, Selbstschussanlagen und Schießbefehl an der Grenze und einem Repressionsapparat im Inneren sicherte ein verbrecherisches Regime über viele Jahre seine Macht - bis es vom eigenen Volk in einer friedlichen Revolution hinweggefegt wurde."

Gut ein Jahrzehnt später erinnere nur noch wenig an diese Zeit. Mauer und Stacheldraht seien verschwunden. Dort, wo früher Grenzsoldaten patrouillierten, nisten heute Vögel und fliegen Schmetterlinge, hat die Natur wieder Besitz ergriffen vom ehemals tödlichen Grenzstreifen. Ein Fremder könne den Eindruck gewinnen, als hätte es all das Schreckliche nie gegeben. Keine Mauertoten, kein menschenerniedrigendes Grenzkontrollsystem.

Püchel: "An diesem Ort arbeiteten - scheinbar normal ¿ Passkontrolleure und Zöllner, wurden Reisende auf ihrem Weg aus bzw. in die DDR oder nach Berlin abgefertigt. Für einen Amerikaner oder Franzosen war es ein normaler Grenzübergang mit einem äußerlich formalen Kontrollablauf, wenn auch mit einem strengeren Kontrollregime. Wie hieß es doch im Ministerratsbeschluss vom 13. August 1961: "wie an den Grenzen eines jeden souveränen Staates üblich". Die meisten Bürger der DDR haben dieses unmenschliche Bollwerk erst nach öffnung der Grenze zu Gesicht bekommen. Sie hatten im Normalfall nicht einmal die Möglichkeit, sich dort kontrollieren zu lassen. Erst mit der Grenzöffnung am 9. November 1989 wurde aus dem hochgesicherten Gefängnistor ein Tor zur Freiheit. Für viele wurde die Grenzübergangsstelle dadurch auch zum Synonym für die Grenzöffnung und Wiedererlangung der Freiheit für ein unterdrücktes Volk."

Die Geschichte der Grenzübergangsstelle Marienborn sei für uns alle wichtig, egal ob Ost- oder Westdeutsche. Das bewiesen im übrigen auch die Reaktionen der mehr als 200.000 Gäste, die seit Eröffnung vor vier Jahren die Gedenkstätte besuchten. Viele von ihnen kämen sowohl aus den alten als auch aus den neuen Bundesländern, um die im Aufbau befindliche Gedenkstätte zu besuchen.

"Die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn verkörpert ein in seiner Bedeutung sehr wichtiges Kapitel der gemeinsamen deutschen, europäischen und sogar auch der Weltgeschichte nach 1945. In Marienborn wurde die Teilung Deutschlands und der Welt nach dem Ende des 2. Weltkrieges besonders deutlich. Die Grenzübergangsstelle war Teil des Eisernen Vorhanges, der die Welt über Jahrzehnte in zwei große Lager trennte. Hier wurde 1945 für die westlichen Alliierten der einzige Zugang von und nach Berlin eingerichtet. Insbesondere in den späten 40er und den 50er Jahren, als aus dem kalten durchaus ein heißer Krieg hätte werden können, stand Marienborn immer wieder im Blickwinkel der internationalen öffentlichkeit", so der Minister.

Die ehemalige Grenzübergangsstelle Marienborn markiere darüber hinaus in erschreckender Weise den Unrechtscharakter des SED-Staates, dessen Führung auf die "Abstimmung mit den Füßen" - trotz gegenteiliger äußerungen des damaligen Staatsratsvorsitzenden Ulbricht - mit dem Bau einer Mauer reagierte.

Püchel: "Die SED-Führung mauerte ein ganzes Volk ein und erfand in zynischer Weise die Lüge vom "antifaschistischen Schutzwall". Die GüSt Marienborn als größte übergangsstelle zwischen den beiden deutschen Staaten bekam im Laufe der Jahre eine wichtige Funktion in diesem Bollwerk gegen die Menschenrechte.

Mit einem enormen materiellen und geistigen Aufwand wurde ein perfektes Grenzregime mit mehr als 1.000 Bediensteten geschaffen. Seine Aufgabe war es, Flüchtlinge mit allen Mitteln aufzugreifen und Menschen daran zu hindern, von Deutschland nach Deutschland zu gelangen. Diese Strategie haben auch hier in Marienborn Menschen mit ihrem Leben bezahlt. Millionenfach wurden außerdem Reisende durch ein entwürdigendes Kontrollsystem psychisch unter Druck gesetzt."

Zehn Jahre nach der friedlichen Revolution in der DDR verheilen allmählich die Narben innerhalb des 40 Jahre lang getrennten Vaterlandes, für manche schnell, für andere zu langsam. Fast überall wurden in der Zwischenzeit die überflüssig gewordenen Teile des Bollwerks demontiert und entsorgt. Viele ausländische Besucher unseres Landes, ja selbst unsere Kinder, könnten mit den Begriffen Schießbefehl, Selbstschussanlage, Streckmetallzaun kaum noch etwas anfangen.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet, sei die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn eine Gedenkstätte im besten Sinne des Wortes. Sie sei Ort der Trauer und des Gedenkens, ebenso aber auch ein Ort des Forschens. Manches Detail der heute einzuweihenden Dauerausstellung sei der öffentlichkeit bisher unbekannt geblieben.

Die Möglichkeiten für Besucher, die sich die Einrichtung individuell erschließen wollen, wurden verbessert. Ein neu gestaltetes und erweitertes Besucherleit- und informationssystem mit Multimedia-Stationen wird den Gästen zukünftig helfen, die Gedenkstätte zu erkunden. Sie können auf diesen Stationen in deutscher, englischer, französischer und russischer Sprache zum jeweiligen Standort oder zu Aspekten der deutschen Nachkriegsgeschichte und zur innerdeutschen Grenze Informationen aufrufen.

Mit der Einweihung des Stabsgebäudes sind nach Püchels Angaben die Arbeiten zur Herrichtung der Anlagen auf der ehemaligen Grenzübergangsstelle Marienborn nicht abgeschlossen.

Am 3. Oktober dieses Jahres wird im ehemaligen Kantinengebäude der "Raum der Stille" eingeweiht. Noch in diesem Jahr werden die riesigen Dächer, die das Erscheinungsbild dieser Einrichtung grundlegend prägen, ebenso saniert wie die Kontrollhäuschen, die Veterinärkontrolle und vieles andere.

Die unmittelbar nach der Wende abgebaute Passannehmerstrecke wird noch in diesem Jahr wieder aufgebaut werden. Für diese Sanierungsmaßnahmen stehen insgesamt mehr als 5,6 Mio DM zur Verfügung. Die Hälfte dieser Mittel stellte die Bundesregierung im Rahmen des Aufbauprogramms "Kultur in den neuen Bundesländern" zur Verfügung.

"Ich wünsche uns ein aufgeschlossenes, ein wissbegieriges, aber auch ein kritisches Publikum. Ich bin mir sicher, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagiert ihren Auftrag erfüllen werden, der u. a. darin besteht, den Verklärungsprozessen über die Geschichte der DDR entgegenzutreten und zur Stärkung der demokratischen Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland beizutragen", so Minister Püchel abschließend.

 

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